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Ein Vorschlag ...

Ein Vorschlag zur Gesundung des Staatshaushaltes von 1860

Einige Worte über Geld- und Münzverhältnisse überhaupt und daraus entsprungener Vorschlag einer Maßregel, um im österreichischen Kaiserthume die Gleichheit zwischen Staats-Einnahmen und Staats-Ausgaben herzustellen. Verfasst von: Anonymus. Gedruckt in der Mechitharisten-Buchdruckerei, Wien 1860.
(Bildquelle: Titelblatt, Denkschrift)

In Österreich war die Phase nach der Niederschlagung der Revolution von 1848 durch zunehmende Probleme im Bereich des Staatshaushaltes gekennzeichnet. Den wachsenden öffentlichen Bedürfnissen stand ein zu schwaches Steueraufkommen gegenüber. Zwar gelang es, die Schuldenexpansion im Laufe der 1850er Jahre merklich zu drosseln, doch zeigte die Entwicklung des jährlichen Zinsendienstes einen sprunghaften Verlauf nach oben. Erklärbar wird dieser Umstand durch die internationalen Gegebenheiten. Der durch Fehlspekulationen im Aktienbereich ausgelöste Kollaps der US-amerikanischen Ökonomie 1857 begann das Wirtschaftsleben grenzüberschreitend zu beeinträchtigen. Das Übergreifen der Schockwelle auf zahlreiche andere Länder führte zur ersten globalen Wirtschaftskrise, deren Hauptkennzeichen eine massive Einschränkung des Kreditgeschäftes darstellte. Mit dem 1860 veröffentlichten Vorschlag zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen staatlichen Einnahmen und Ausgaben wollte der anonym bleibende Autor den desolaten Währungsverhältnissen in Österreich entgegenwirken und den finanziellen Spielraum des öffentlichen Sektors erweitern. Mit seiner Initiative knüpfte der Verfasser an die Zeit des Vormärz an, als Bürgerinnen und Bürger sich zunehmend mit eigenen Vorschlägen in das politische Geschehen einzumengen begannen. Den Kern der Denkschrift bildet das Plädoyer für eine erneuerte „rationelle“ Geldordnung, die eine Verschuldung zur Abdeckung „fortlaufender Defizite“ überflüssig machen soll. Neben den auf globaler Ebene umlaufenden monetären Mitteln, die durch Edelmetalle gedeckt sind, sollte ein zusätzliches Geldvolumen rein für den binnenwirtschaftlichen Verkehr zum Einsatz kommen. Das Innovative daran war, „dass der Realwerth der circulierenden Banknoten“ regelmäßig herabgesetzt und dass „dieser Schwund ebenso allmälich ersetzt“ werden sollte durch „den gleichen Realwerth von neuen Banknoten, die dem Staate zur Deckung seiner jährlichen Ausgaben übergeben werden“. Der Wertverlust des „Schwundgeldes“ sollte einem „natürlichen Abgang“ etwa im landwirtschaftlichen Kornspeicher oder im Lager eines Gewerbebetriebes entsprechen. Während der hektischen Betriebsamkeit der Gründerjahre ging der Vorschlag zur Erneuerung des Geld- und Finanzwesens verloren. Für die wirtschaftliche Expansion setzte man nun vor allem auf die Finanzmärkte. Nach dem Wiener Börsenkrach 1873 reduzierte sich das Vertrauen in das Aktienwesen jedoch spürbar. Es folgten viele bittere Jahre einer Wirtschaftskrise.

Literatur:
  • Rolf Engert: Freiwirtschaftliche Ideen und Forderungen aus dem Vormärz, in: Die Freiwirtschaft, (6) 4/1924, 97-102.

  • Richard Kerschagl: Volkswirtschaftslehre. Ein Abriß der wichtigsten Lehrmeinungen, Wien 1946.

  • Herbert Matis: Österreichs Wirtschaft 1848 bis 1913, Berlin 1972. *