NPO-Institut (Verein)

npoInterview mit Werner Kerschbaum

In den Newslettern von npoAustria habe ich in den vergangenen Jahren unter der Rubrik  'Alt, aber gut' Klassiker aus der Managementliteratur vorgestellt.

Nun geht es aber um aktuellere Themen, denn für die vielen Leser:innen des Newsletters von npoAustria ist es natürlich auch interessant, direkte Einblicke in die Arbeits- und Gedankenwelt von Spitzenvertreter:innen des gemeinnützigen Sektors zu bekommen.

Diesmal gibt uns Univ.-Prof. Dr. Michael Meyer, Leiter des Instituts für Nonprofit Management an der WU Wien, die Ehre.

Prof. Michael Meyer forscht und lehrt über Nonprofit-Management und -Governance, den Drittsektor und die Zivilgesellschaft, die Verbreitung von Managementdenken in NPOs sowie unternehmerische Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme, z.B. Sozialunternehmertum und soziale Innovation. An der WU Wien unterrichtet er Studierende, Absolventen, Doktoranden und Führungskräfte. Neben Nonprofit-Management bietet er auch Kurse zu Führung, Teambildung, Organisationsverhalten und Organisationstheorie an.

Zusammen mit vielen Kollegen und Freunden hat er über 20 Bücher veröffentlicht, darunter zwei Lehrbücher zur Diskursanalyse, die ins Spanische, Arabische, Hebräische, Koreanische, Russische und Japanische übersetzt wurden. Er hat über 120 wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften und Sammelbänden veröffentlicht. Derzeit ist Prof. Meyer an einem internationalen Projekt zur Zivilgesellschaft in städtischen Regionen beteiligt, das sechs Metropolregionen auf vier Kontinenten vergleicht. Seine Forschung konzentriert sich auch auf die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Zentral- und Osteuropa und auf den Managerialismus in gemeinnützigen Organisationen.

Prof. Meyer leitet seit 2005 das Institut für Nonprofit-Management an der WU Wien (Wirtschaftsuniversität Wien). Er ist einer der akademischen Leiter des Professional Master in Social Innovation and Management der WU und akademischer Leiter des Kompetenzzentrums für NPOs und Sozialunternehmertum der WU. Prof. Meyer ist auch Mitglied des Redaktionsausschusses von NVSQ und NML, den beiden einflussreichsten wissenschaftlichen Fachzeitschriften auf diesem Gebiet.

1. Fragen zum gemeinnützigen Sektor

 
Was war für Sie die wichtigste/wirkungsstärkste Entwicklung der letzten Jahre im gemeinnützigen Sektor?

Die Pandemie von 2020-22 war eine wichtige Zeit für den Nonprofit-Sektor. Erstmals wurde er in seiner Gesamtheit durch die Politik wahrgenommen, durch den NPO-Fonds unterstützt, und in seiner Bedeutung bei der Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen gewürdigt. Dann wurde 2023/24 die große Gemeinnützigkeitsreform auf den Weg gebracht. Erstmals in Österreich werden damit Spenden an alle gemeinnützigen Funktionen steuerlich abzugsfähig - was erneut eine Stärkung des Sektors darstellt. Nach unseren Forschungen ist der Nonprofit-Sektor eine der ganz wichtigen gesellschaftlichen Resilienzreserven, gerade in Krisenzeiten. Schließlich wird gerade das NPO Satellitenkonto in der VGR fertiggestellt, das nicht nur beachtliche 12 Mrd Euro an Wertschöpfung des Sektors ausweist, sondern auch zeigt, dass der Sektor p.a. ca. 3,5% wächst.
 
Welche Risiken/Chancen sehen Sie für den NPO-Sektor in der Zukunft?

Geht alles gut weiter, dann wird der Nonprofit-Sektor ein Wachstumssektor bleiben - dafür spricht die oben skizzierte wirtschaftliche Dynamik: Nach dem COVID-bedingten Einbruch sollte es mit Wachstumsraten weitergehen, die über den anderen Sektoren liegen, weil NPOs ja gerade in den Wachsttumsfeldern Bildung, soziale Dienstleistungen, Freizeit und Sport tätig sind. Ein starker NPO-Sektor ist freilich auch ein Zeichen einer liberalen Gesellschaft. Kommt auch bei uns eine autoritäre, rechtsextreme Wende wie in Ungarn, dann droht dem Nonprofit-Sektor große Gefahr.
 
Wenn Sie für einen Tag alle Möglichkeiten hätten - zum Beispiel als verantwortlicher Minister oder Bundeskanzler - welche Maßnahmen würden Sie jedenfalls umsetzen?

Ein Tag ist zu wenig. Wäre länger Zeit, würde ich eine ernsthafte Föderalismus-Reform einleiten. Damit stehen und fallen in Österreich so viele kritische Politikbereiche: Bildungspolitik, Sozialpolitik, Klimapolitik. Solange die Bundesländer diese Bedeutung haben, die sie jetzt haben, und so vieles blockieren wie zuletzt die Regulierung der Bodenversiegelung, bewegt sich das Land im Schneckentempo. Wenn ich nur einen Tag Zeit und volle Macht hätte, würde ich sofort Tempo 100 auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen verordnen: Die effizienteste und effektivste Einzelmaßnahme zum Klimaschutz.

2. Fragen zur eigenen Organisation

 
Was ist Ihrer Organisation in der jüngeren Vergangenheit besonders gut gelungen?

Wir feierten letzten September 10 Jahre NGO Academy. Dieses Capacity Building Programm, das wir gemeinsam mit der Erste Stiftung - Danke !! - aufgebaut haben, ist eine Erfolgsstory. Wir sind aktuell die wichtigsten Anbieter in CEE. Insgesamt ist unser Kompetenzzentrum zum größten und schlagkräftigsten Hub der Nonprofit-Forschung in Europa geworden.
 
Welche drei Themen/Schwerpunkte werden in nächster Zukunft in Ihrer Organisation eine besonders hohe Priorität genießen?

Erstens, die Demokratiekrise: Wie können NPOs ihre Rolle als Schools of Democracy besser erfüllen? Wie gelingt es NPOs, dem Rechtsextremismus und Rechtspopulismus Paroli zu bieten?
Zweitens, die Klimakrise: Wie können NPOs ihre Advocacy Funktion, den Druck auf die Politik und die Aufklärung der Menschen stärken und professionalisieren?
Und drittens, wie gelingt es NPOs, ihre Kräfte zu professionalisieren.

 
Wie würden Sie die Schlüsselkompetenzen/Alleinstellungsmerkmale Ihrer Organisation definieren?

Wir sind das wichtigste und leistungsstärkste Forschungs- und Kompetenzzentrum für Nonprofit-Organisationen und Social Entrepreneurship in Österreich, im DACH-Raum, und in Europa.
 
Was sind die zentralen Werte in Ihrer Organisation?

Wissenschaftlichkeit: Uns geht es um methodisch sattelfeste Befunde nach unserem besten Wissen und Gewissen.
Offenheit und Internationalität: Unsere Community lebt vom offenen, kritischen Austausch.
Innovativität: Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Erkenntnissen im Dienste der Zivilgesellschaft.

 
Wenn jemand Fremder zum ersten Mal in Ihre Organisation kommt, was würde ihm besonders auffallen?

An wie vielen unterschiedlichen Projekte wir arbeiten, und wie wenig dieses gesamte Spektrum nach außen hin sichtbar ist - Eigenmarketing ist nicht unsere Stärke.

3. Fragen zur Person/Steckbrief

 
Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Wenn ich an Menschen denke, von meiner Familie, aktuell immer mehr von meinen Töchtern Katharina und Caroline. Wenn ich an Lebensepisoden denke, von meinen Reisen und Auslandsaufenthalten. Wenn ich an Lebensbereiche denke, dann ganz besonders viel von meinem ehrenamtlichen und freiwilligen Engagement an der WU, in Vereinen, bei ORF, etc.

Welches Buch oder welchen Film empfehlen Sie den Leser:innen des npoAustria Newsletter?

Aktuell die beiden Bücher von Uwe Wittstock "Februar 33. Der Winter der Literatur" und "Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur", die zeigen, wie schnell es gehen kann, wenn wir nicht auf der Hut sind.
 
Was regt Sie besonders auf?

Die Kombination von Dummheit und Arroganz, und der Mangel an Menschlichkeit.
 
Womit können andere Menschen Ihnen eine Freude bereiten?

Mit gemeinsamen Naturerlebnissen in den Bergen, mit Schitouren, Mountainbikeausflügen und Wanderungen. Mit gutem Essen und gutem Wein.

Wenn Sie nur noch kurze Zeit zum Leben hätten, was möchten Sie jedenfalls noch erledigen?

Kommt drauf an, wie lange ich noch Zeit habe: Wenn noch ein halbes Jahr, dann möchte ich viel Zeit mit meiner Familie verbringen, idealerweise gemeinsam reisen, z.B. nach Japan. Wenn noch einen Tag, dann eine Schitour mit Pulverschnee, eine Mozart-Oper, ein letztes Abendmahl mit meiner Familie und ein paar guten Freunden und eine Flasche ganz wertvoller Burgunder.
 

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die ihr Berufsleben gerade starten?

Vertraue den Menschen, und es wird dir Vertrauen zurückgegeben. Sei dennoch vorsichtig, mit wem du zusammenarbeitest, das Leben ist zu kurz, um sich mit Arschlöchern abzugeben.

Was ist Ihr persönliches Lebensmotto bzw. Ihr Leitspruch?

Das ändert sich täglich. 

 
 

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Herrn Prof. Meyer, dass er sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten.

Werner Kerschbaum

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