Hidden Champions
Hidden Champions: Internationale Marktführer aus Österreich. Erfolgsstrategien und Zukunftsaussichten
Podiumsdiskussion
24. Mai 2023
Unter Hidden Champions versteht man Europa- und Weltmarktführer mit geringer Bekanntheit in der allgemeinen Öffentlichkeit. Sie zeichnen sich durch Produktspezialisierung, eine enge Nischenstrategie, führende Marktpositionen in Europa und am Weltmarkt und damit verbunden hohe internationale Umsatzanteil aus. Ursprünglich mittelständische Unternehmen sind viele von ihnen heute aufgrund der erfolgreichen Internationalisierung zu Großunternehmen geworden. Österreichische Hidden Champions sind vielfach im Technologiebereich (Anlagen-, Maschinenbau) und im B2B-Bereich zu finden. Technische Exzellenz verbunden mit Kundennähe ist die Basis ihres Wettbewerbsvorteils. Viele der österreichischen HC sind im Zuge der Globalisierung erfolgreich gewachsen. Die zunehmende Ausschöpfung des Marktes, vermehrte Konkurrenz, Preisdruck und Digitalisierung stellen das ursprüngliche Erfolgskonzept auf den Prüfstand. Die Erfolgsstrategien und Zukunftsaussichten der österreichischen Hidden Champions stehen im Mittelpunkt der Diskussion.
Ziel der Podiumsdiskussion war es das Hidden Champions Konzept sowie die Erfolgsstrategien der Hidden Champions vorzustellen. Außerdem ging es in der Diskussion darum, die Zukunftsaussichten für die Hidden Champions und ihre Wachstumsstrategien zu diskutieren.
Begrüßung: Alexander Keßler, Dept. Management
Panelists:
Jürgen Mühlbacher, Change Management & Management Development
Anja Pichler, Absolventin des WU Management Master
Werner Horn, Mitgründer und CEO, Securikett
Herbert Kneissl, Director Customer Engagement, DSM Austria
Johann Schweiger, Vice President Sales, Frequentis Group
Moderator: Arnold Schuh, Competence Center for Emerging Markets & CEE
Zusammenfassung
Die Podiumsdiskussion eröffnete Jürgen Mühlbacher, Professor am Institut für Change Management und Management Development, mit einer Einführung zu den Hidden Champions. Für mittelständische Unternehmen eignet sich die auf Spezialisierung und Marktnischen ausgerichtete HC-Strategie besonders. Die knappen Ressourcen werden auf einen Anwendungsbereich fokussiert, der international in ähnlicher Form vorzufinden ist. Damit entscheidet sich der HC für ein Wachstum über Internationalisierung und gegen die Option, über eine Ausweitung des Angebotsprogramms zu wachsen. Auslandsumsatzanteile über 85% und Nummer 1-3 Positionen am Weltmarktmarkt zeugen vom Erfolg dieser Strategie bei den ca. 250 österreichischen HC. Mühlbacher hob weiters das Performance Dreieck hervor, das auf das Zusammenwirken von Eigentümerstruktur (Familie), Governance (flache Hierarchie in einem Netzwerk) und Organisationskultur (Performance-Orientierung) hervor. Aktuelle Themen sind aus seiner Sicht die Fragen der Unternehmensnachfolge und geeigneten Form der Übergabe – innerhalb der Familie, Management Buy-out, Börsegang oder Verkauf an ein größeres multinationales Unternehmen oder Investorengruppe.
Anja Pichler, Absolventin des Management Masters, berichtete von den Ergebnissen ihrer Masterarbeit, die sie 2021-22 zum Thema Internationaler B2B-Verkauf in COVID-19 Zeiten verfasste. Da dabei komplexe und beratungsintensive Verkaufssituationen in globalen Investitionsgütermärkten im Mittelpunkt standen, waren österreichische HC die Zielgruppe ihrer Befragung. Sie zeigte auf, wie wichtig die engen persönlichen Beziehungen zwischen Selling and Buying Centers für einen erfolgreichen Abschluss sind. Das klassische Verkaufsmodell ist während der Pandemie um digitale Prozesse und Tools ergänzt worden, die die Fortführung des Betriebs erlaubten. Allein angewandt mangelt es digitalen Kanälen allerdings an Interaktionstiefe und Kundeneinblicken. Gerade bei der Neukundengewinnung läuft ohne die persönliche Interaktion in komplexen Verkaufsprozessen kaum etwas, weshalb der persönliche Verkauf ebenso wie Firmenbesuche, Messen und Kongresse nach der Pandemie wieder eine zentrale Rolle spielen.
Der Organisator und Moderator Arnold Schuh hatte Vertreter von drei Typen von HC eingeladen, um die Unterschiede in den Herausforderungen für das Management herauszuarbeiten:
Securikett, ein Unternehmen mit 90 Mitarbeitern, das vom Produktionsstandort in Münchendorf (NÖ) Sicherheitsetiketten und –lösungen exportiert, repräsentiert den klassischen Typus des HC, also des mittelständischen Familienbetriebs.
Die holländische Royal DSM Austria hat im Jahr 2020 die vormalige BIOMIN/ERBER Gruppe übernommen, die ein Weltmarktführer bei ausgewählten Futtermittelzusatzstoffen ist, und diente hier als Beispiel für die Wachstumsmöglichkeiten durch das Aufgehen in einem größeren multinationalen Konzern.
Die FREQUENTIS Group ist seit ihrer Gründung 1947 vom HC in der Sprachkommunikation bei der Flugsicherung zum Weltmarktführer bei Kontrollzentren aufgestiegen und damit ein „ausgewachsener“ HC mit EUR 400 Millionen Umsatz in 150 Ländern.
Werner Horn, Mitgründer und CEO von Securikett, kam gerade von der größten Verpackungsmesse der Welt, der Interpack, in Düsseldorf mit einem World Packaging Award (Labels + Decoration) zurück. Er erzählte von den Herausforderungen nach der Gründung in 2001 und dem stetigen Wachstum durch den Fokus auf fälschungs- und manipulationssichere Verpackung. Durch ständige Innovation hat das Unternehmen sein Angebot von Sicherheitsetiketten zu multifunktionalen und digitalen Sicherheitslösungen rund um die Verpackung erweitert. Heute zählen führende globale Pharmahersteller, High-Fashion-Labels und Spirituosen-Hersteller zu seinen Kunden. Das Unternehmen ist in 50 Ländern vertreten und hat eine Exportquote von 90%, wobei mehr als die Hälfte davon in den asiatischen Raum geht.
Herbert Kneissl ging in seinem engagierten Vortrag auf die Frage der Wachstumsoptionen für einen Nischenanbieter ein, der bereits in der ganzen Welt vertreten ist. Der Verkauf der BIOMIN-ERBER Gruppe durch den Gründer Erich Erber in 2020 für EUR 980 Millionen an DSM bedeutete den Beginn einer neuen Entwicklungsphase für den ehemaligen HC aus Getzersdorf (NÖ). Der Weltmarktführer bei Futtermittelzusätzen zur Vermeidung von Mykotoxin war 2019 in 150 Ländern vertreten, hatte 12 Produktionsstätten und 15 F&E-Zentren. Als Teil eines weitaus größeren multinationalen Unternehmens ergänzt er nun das DSM-Firmenich Sortiment, das Tier- und Humanernährung, Pflege & Gesundheit und Lebensmittel umfasst. 120 wissenschaftliche Forscher:innen im BIOMIN-Forschungszentrum in Tulln in enger Kooperation mit 200 Universitäten und Fachhochschulen stellen sicher, dass BIOMIN führend bei der Bekämpfung von Mykotoxin bleibt. Laut Kneissl beantwortet das auch die Frage, ob es besser ist, wenn man in einen neuen Geschäftsbereich einsteigen will, die F&E-Einheit organisch selbst aufzubauen oder ein Unternehmen mit der passenden F&E-Einheit zu akquirieren. Die Übernahme durch DSM zeigt, dass die Akquisition eines HC mit seinen F&E Ressourcen hier wertvollen Zeit sparen kann und das Risiko eines Flops reduziert.
Die FREQUENTIS Group hat einen eindrucksvollen Aufstieg zum Weltmarktführer hinter sich. Eine starke Produktidee gepaart mit einer ausgeprägten Qualitäts- und Kundenorientierung legten den Grundstein für den Erfolg. Wie Johann Schweiger ausführte, ist FREQUENTIS das einzige Unternehmen, dass sich nur auf sicherheitskritische Kontrollzentren konzentriert. Das Denken in Lebenszyklen der Anlagen von mehr als 20 Jahren bringt langjährige Kundenbeziehungen mit sich, die von Verlässlichkeit und Vertrauen geprägt sind. Trotzdem erlaubt das kein Zurücklehnen. Es müssen Trends erfasst und in Innovationen umgesetzt werden – wie der Umstieg von der analogen auf die digitale Technologie, die als Game Changer den Eintritt neuer Mitbewerber begünstigt. Im Fall von FREQUENTIS ist in der 75-jährigen Geschichte auch eine Diversifizierung von der zivilen Flugsicherung hin zu öffentlicher Sicherheit und Transport, Verteidigung und maritimen Anwendungsbereichen zu erkennen. Das erfolgte in der letzten Zeit verstärkt auch durch Akquisitionen – einer Wachstumsform, die klassische HC eher vermeiden.
Die nachfolgende Diskussion drehte sich um die Rolle der Nachhaltigkeit (ja, sie spielt eine Rolle), Vorteile von mittelständischen Betrieben gegenüber großen multinationalen Unternehmen (Flexibilität und schnelle Entscheidungen) und Change Prozessen nach Übernahmen. Das Überleben von HC hängt auch von mutigen und weisen Investitionsentscheidungen ab, die bis zu 10 Jahre Vorlaufzeit haben, und von einer ausreichenden Kapitalbasis und Cash-Flow, um solche Perioden zu finanzieren. Und die Nachfolgefrage ist eine Bruchstelle in Familienbetrieben – diese muss zeitgerecht und viele Perspektiven umfassend (Führung, Governance, Steuer etc.) angegangen werden.
Download Präsentationen:
Internationaler B2BVerkauf in COVID-Zeiten - Anja Pichler
Welcome to Frequentis - Johann Schweiger
Hidden Champions: Internationale Marktführer aus Österreich - Jürgen Mühlbacher