Die Außenansicht der Glasfront des LC Gebäudes

Rechtliche Rahmenbedingungen für die Kommunikation von Unternehmensabschlüssen

Analyse, Bewertung, Handlungsoptionen

Förderung

Univ.-Prof. Dr. Dirk Hachmeister
Universität Hohenheim

Univ.-Prof. Dr. Holger Kahle
Universität Hohenheim

Univ.-Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M. (NYU)
Attorney-at-Law (New York),Wirtschaftsuniversität Wien

Der Wirecard-Skandal hat in schonungsloser Deutlichkeit die Defizite des deutschen Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht nicht nur die Frage der Effektivität des zweistufigen Enforcement-Verfahrens, sondern auch nach der Verlässlichkeit von Unternehmensabschlüssen insgesamt. Das vorliegende Forschungsprojekt will dem nachgehen. Dabei beschränkt es sich gerade nicht auf eine Untersuchung einzelner spezifischer Regelungsansätze in den verschiedenen betroffenen Rechtsgebieten. Vielmehr soll der Unternehmensabschluss als Mittel der Kommunikation des Unternehmens und als Objekt der Kommunikation der Marktteilnehmer den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden. Ausgehend davon soll der Frage nachgegangen werden, welche Rahmenbedingungen insgesamt für die Kommunikation von und über Unternehmensabschlüsse existieren. Ziel ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Regelungskonzepts, bei dem die zahlreichen bereits existierenden Regelungsansätze daraufhin überprüft werden sollen, inwiefern sie eine Gewähr für die Kommunikation richtiger Unternehmenabschlüsse leisten können.

A. Grundriss des geplanten Forschungsprojekts

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts stehen die Unternehmensabschlüsse und ihre Bedeutung für den geregelten und ungeregelten Kapitalmarkt. Trotz der vielen in der heutigen Zeit exisierenden Informationsinstrumente auf den Kapitalmärkten kommt Unternehmensabschlüssen noch immer die größte Bedeutung zu. Dabei besteht ein grundlegendes Bedürfnis aller Kapitalmarktteilnehmer, sich auf die grundsätzliche Richtigkeit der Unternehmensabschlüsse verlassen zu können. Das deutsche Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht verfügt dazu über eine Reihe von Regelungsinstrumenten, die ihren Ursprung in verschiedenen Epochen, Regelungs- und Wertungszusammenhängen haben. So finden sich zahlreiche Regelungen im Aktienrecht zur internen Kontrolle von Unternehmenabschlüssen, im Kapitalmarktrecht zu deren externen Kontrolle, im Handelsbilanzrecht zur Kontrolle durch den Abschlussprüfer und zur Strafbarkeit der handelnden Personen etc. Bei diesen vielen verschiedenen Regelungsansätzen besteht meist nur eine geringe Konsistenz, was den Anforderungen eines modernen Wirtschaftsrechts nicht gerecht wird.

I.     Kommunikation von und über Unternehmensabschlüsse als unvollendete Regelungsaufgabe

Ansatzpunkt für ein besseres Regelungskonzept sollten daher nicht die vielen verschiedenen Einzelaspekte, sondern vielmehr die Kommunikation von und über Unternehmensabschlüsse sein. Ziel ist es daher, ein Konzept zu entwickeln, bei dem diese Kommunkation im Mittelpunkt steht. Dieses Bedürfnis kann beispielhaft an dem Wirecard-Fall aufgezeigt werden. Dieser beschränkt sich gerade nicht auf die Frage, ob die Kontrolle von Unternehmensabschlüssen besser bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder einer privatrechtlich organisierten Prüfstelle aufgehoben ist. Vielmehr zeigt der Wirecard-Fall eindrucksvoll auf, dass die Kommunikation von und über Unternehmensabschlüsse insgesamt neu geregelt werden muss. Dabei stellen sich zahlreiche, gerade nicht nur auf einzelne Regelungen bezogene Fragen. Auf welche Art und Weise darf und muss über Unternehmensabschlüsse auf dem Kapitalmarkt berichtet werden? Für wen löst eine dahingehende Berichterstattung konkrete Handlungspflichten aus? Sollte die Sicherstellung der Richtigkeit von Unternehmensabschlüssen als staatliche Aufgabe begriffen werden oder sollte das primäre Ziel die Schaffung privatrechtlicher Mechanismen sein? Wer darf in welchem Umfang auf die Richtigkeit von Unternehmensabschlüssen vertrauen? Welche Folgen sollte ein enttäuschtes Vertrauen in die Richtigkeit haben? Ist dem Straf- oder dem Zivilrecht in diesem Regelungszusammenhang der Vorrang zu geben? Muss bei Unternehmensabschlüssen zwischen kapitalmarktorientierten und nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften unterschieden werden? Vernachlässigt der bei den derzeitigen Regelungen bestehende Fokus auf große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften die mittelständischen Unternehmen? Welches Maß an Rechtssicherheit sollte für die Ersteller von Unternehmenabschlüssen bestehen?

II.    Akteure der Kommunikation von und über Unternehmensabschlüsse

Eine solche Untersuchung kann nicht nur das materielle Recht in den Fokus nehmen, sondern muss auch beleuchten, welche Akteure in diesem Zusammenhang auftreten und welche Interessenabhängigkeit bei diesen besteht. Dabei kann man sich nicht nur auf die Ersteller und die Adressaten von Unternehmensabschlüssen beschränken, sondern muss auch andere Akteure mit einem nachhaltigen Einfluss auf diese in den Blick nehmen. Dazu zählen neben den Wirtschaftsprüfer und den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vor allem die Teilnehmer auf dem Kapitalmarkt. Aber auch die Rolle der Justiz bedarf einer näheren Betrachtung. Im modernen Unternehmensrecht hat es die Justiz in der Vergangenheit nie geschafft, einen nachhaltigen Einfluss auf das Handelsbilanzrecht auszuüben. So sind in diesem Bereich des Unternehmensrechts Gerichtsentscheidungen äußerst selten. Ähnlich verhält es sich mit den Behörden wie der BaFin, die auf das Handelsbilanzrecht – anders als etwa in anderen Rechtsordnungen – keinen Einfluss hat. Schließlich ist auch die Rolle von Journalisten zu untersuchen, die mit ihrer Berichterstattung Informationen aus Unternehmensabschlüssen nicht nur breit kommunizieren, sondern an diesen auch erhebliche Zweifel säen können. Gleiches gilt für moderne Formen der Kommunikation wie etwa soziale Netzwerke. Daher soll sich das Forschungsprojekt auch der Frage widmen, welche Akteure im Recht der Unternehmensabschlüsse tatsächlich federführend sind und auf welche Art und Weise deren Einfluss auf diesen Regelungsbereich Schranken unterworfen ist oder unterworfen sein sollte.

III.  Impact des Forschungsprojekts

Das Ziel des Forschungsprojekts ist neben der Analyse und Bewertung des derzeitigen Regelungssystem vor allem die Entwicklung eines neuen und einheitlichen Regelungsansatzes für die Kommunikation von und über Unternehmensabschlüsse. Damit sollen künftig nicht nur Skandale wie Wirecard vermieden, sondern insgesamt das Vertrauen in die Richtigkeit von Unternehmensabschlüssen insgesamt erhöht werden. Unmittelbare Folgen eines solchen Regelungskonzepts sind zum einen die Schaffung eines höheren Maßes an Rechtssicherheit und zum anderen aber auch die Ermittlung des erforderlichen Umfangs staatlicher Intervention.

Tagung "Rechtsfragen der Kommunikation fehlerhafter Unternehmensabschlüsse" am 22. und 23. September 2022 an der WU Wien

Weitere Informationen zur Tagung finden Sie hier.