Institut für Nachhaltigkeitsmanagement

UN-Nachhaltigkeitsziele: Corona-Pandemie macht viele Fortschritte zunichte

15. Juni 2021

Der fünfte Eurostat-Monitoring-Bericht zeigt die ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Fortschritt der EU und ihrer Mitgliedsstaaten hin zur Erreichung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele. Trotz Maßnahmen wie Kurzarbeit zeigen sich 2020 deutliche Einschnitte am europäischen Arbeitsmarkt, ausgelöst durch den dramatischen Einbruch des Wirtschaftswachstums. Im Klima- und Energiebereich zeichnen sich dagegen spürbare Verbesserungen für 2020 ab, die aber nur kurzfristiger Natur sein dürften. Das Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) hat den Monitoring-Bericht erstellt. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni präsentiert ihn am 15. Juni.

Wirtschaftsentwicklung

„Die Corona-Pandemie hat 2020 viele Fortschritte der davorliegenden Jahre zunichte gemacht“, beschreibt Markus Hametner, WU-Wissenschaftler und Projektleiter, die Erkenntnisse aus den jüngsten Daten. Am deutlichsten sei dies beim Einbruch des Wirtschaftswachstums zu sehen: „Mit minus 6,2 Prozent von 2019 auf 2020 war der Rückgang des EU-Bruttoinlandsprodukts in der Pandemie sogar deutlich stärker als während der letzten Finanzkrise, als das BIP von 2008 auf 2009 ‚nur‘ um 4,6 Prozent gefallen ist“, so Hametner.

Beschäftigung nur leicht eingebrochen

Aufgrund der zahlreichen Hilfsmaßnahmen wie zum Beispiel der Kurzarbeit fielen die Einschnitte am Arbeitsmarkt weniger dramatisch aus als befürchtet. So war der Rückgang der EU-Beschäftigungsquote von 2019 auf 2020 mit minus 0,7 Prozentpunkten nur etwa halb so stark wie während der Finanzkrise von 2008 auf 2009. Dies wurde allerdings durch einen dramatischen Anstieg der Staatsverschuldung in der EU erkauft, welche aufgrund der Hilfsmaßnahmen in 2020 zum ersten Mal seit Beginn der Messreihe auf über 90 Prozent des BIP stieg.

Lebenserwartung um 1 Jahr gesunken

Ein vollständiges Bild der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die ökonomische, soziale und ökologische Situation der EU ist aufgrund von zahlreichen Datenlücken derzeit allerdings noch nicht verfügbar. So spiegeln die EU-Daten in den Bereichen Gesundheit, Armutsbekämpfung, Klimawandel und Umwelt meist nur die Situation vor der Pandemie wieder. Eine außerordentliche Datenerhebung der europäischen Statistikämter zur Übersterblichkeit zeigt für die EU für 2020 jedoch über eine halbe Million Sterbefälle mehr als im dreijährigen Durchschnitt von 2016 bis 2019. Die Lebenserwartung in der EU ist in 2020 im Vergleich zum Vorjahr aufgrund dessen um rund ein Jahr gesunken. Männer – vor allem aus höheren Altersgruppen – sind ein wenig stärker von diesem Rückgang betroffen als Frauen.

Klima, Energie und Ökosysteme

Auch im Klima- und Energie-Bereich liegen bisher nur Abschätzungen zur Auswirkung der Corona-Pandemie vor. Der Stromverbrauch in der EU ist 2020 um rund vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Kohlendioxid-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger in der EU wird auf rund 10 Prozent geschätzt. Es ist allerdings zu befürchten, dass dieser Rückgang nur kurzfristig ist und der Energieverbrauch rasch wieder das Niveau vor der Krise erreichen wird. So stieg der EU-Energieverbrauch in den fünf Jahren vor der Pandemie mehr oder weniger kontinuierlich. 2019 war ein neuer Höchststand der Abhängigkeit der EU von Energieimporten aus dem Ausland erreicht: Mehr als 60 Prozent der konsumierten Energie kamen nicht aus der EU selber.

Obwohl die Schutzgebiete größer geworden sind, sind viele Tier- und Pflanzenarten und ihr Lebensraum nach wie vor von Überfischung, Flächenverbrauch und Bodenversiegelung betroffen. Der Habitatverlust schlägt sich vor allem in langfristigen Rückgängen von Vogelarten und Schmetterlingen nieder. „Die negativen Umwelteinflüsse des europäischen Konsums sind nach wie vor enorm und der Status von Ökosystemen und der Biodiversität bleibt unzureichend“, so WU-Forscher Markus Hametner.

Insgesamt zeigt der Monitoring-Bericht, dass sich die Fortschritte hin zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen aufgrund der Pandemie deutlich verlangsamt haben. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden in einigen Bereichen wie der Armutsbekämpfung wohl noch längere Zeit nachwirken und erst in zukünftigen Jahren in ihrer vollen Deutlichkeit sichtbar werden“, so Markus Hametner.

Das Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der Wirtschaftsuniversität Wien analysiert jährlich im Auftrag von Eurostat den Fortschritt der EU zu den 17 Nachhaltigen Entwicklungszielen der UN. Im Zentrum steht die Frage, ob und welche Fortschritte die EU innerhalb der letzten fünf bis 15 Jahre zu den UN-Nachhaltigkeitszielen erreichen konnte.

Zum vollständigen Bericht

Pressekontakt:

Alexander Vieß

Forschungskommunikation

Wirtschaftsuniversität Wien

Tel: + 43-1-31336-5478

E-Mail: alexander.viess@wu.ac.at

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