Wirtschaft und Gesellschaft
Im Komplementärfach „Wirtschaft und Gesellschaft“ befassen sich Studierende mit Fragestellungen und Betrachtungsweisen, die Wirtschaft im gesellschaftlichen Zusammenhang verstehen. Sie erwerben tiefer gehende Kenntnisse und Fähigkeiten in den wesentlichen Themenbereichen der Sozioökonomie, konkret: der Wirtschaftssoziologie, der Sozialpolitik, der Wirtschaftsgeographie, der Wirtschaftsgeschichte, sowie grundlegende Kenntnisse in empirischer Sozialforschung. Studierende lernen Wirtschaften als soziales Handeln zu erfassen, welches von vielerlei gesellschaftlichen Einflussfaktoren bestimmt ist, die soziale und ökonomische Rolle von Wohlfahrtsstaaten zu erklären, ungleiche wirtschaftliche und räumliche globale Entwicklungen zu erklären, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Entwicklungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart zu beschreiben sowie empirische sozialwissenschaftliche Arbeiten zu verstehen und zu bewerten.
Das Komplementärfach vereint die vom Department Sozioökonomie angebotenen Lehrveranstaltungen des Studienzweigs Volkswirtschaft und Sozioökonomie in vorherigen BaWiSo 19-Studienplänen als ideales sozialwissenschaftliches Komplementärfach zum Studienzweig Volkswirtschaft (ab WS 2024/25) und in den Studienzweigen Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik (ab WS 2025/26).
Warum Wirtschaft und Gesellschaft wählen?
Diese Spezialisierung gibt eine grundlegende Einführung in sozioökonomische Perspektiven auf Wirtschaft in konzeptioneller, empirischer und methodischer Hinsicht. Sie vereint Wirtschaftssoziologie, Sozialpolitik, Wirtschaftsgeographie, Wirtschaftsgeschichte und Einführung in die empirische Sozialforschung. Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie Wirtschaften als eingebettet in soziale, politische und ökologische Kontexte ansehen, die durch geographische Bedingungen und historische Prozesse geformt sind. Hierbei spielen insbesondere Institutionen als Rahmenbedingungen wirtschaftlichen und sozialen Handelns und politischer Gestaltung eine besondere Rolle, etwa in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung oder in der Frage, warum globale Prozesse wie Industrialisierung, Globalisierung und Strukturwandel lokal sehr unterschiedliche Auswirkungen haben.
Studierende von „Wirtschaft und Gesellschaft“ erweitern ihr Verständnis für die unterschiedlichen Ausgestaltungen des Wirtschaftens in Raum und Zeit und für das damit verbundene Wechselspiel zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Studierende lernen, unterschiedliche Elemente der Wirtschaft aus unterschiedlichen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Perspektiven zu reflektieren. Damit lernen sie theoretisches und empirisches Wissen über Wirtschaft und Gesellschaft zu verstehen, einzuordnen und auf dieser Basis selbst zu produzieren. Derartiges Wissen ist immer von Nutzen, wo in wirtschaftlichen Zusammenhängen mitgedacht werden muss, welche sozialen und politischen Rahmenbedingungen, räumlichen Unterschiede und/oder historischen Vorbedingungen für Anpassungen, Szenarien und Initiativen berücksichtigt werden müssen - also eigentlich immer.
Ausbildungsziele
Die Studierenden sind nach Abschluss dieser Spezialisierung in der Lage
ein soziologisches Verständnis von Wirtschaften als soziales Handeln im Kontext sozialer Strukturen, Normen, Institutionen und Kulturen darzulegen;
wirtschaftssoziologische Kernkonzepte und Problemstellungen zu erläutern und mit Bezug auf aktuelle Entwicklungen anzuwenden und zu illustrieren;
wirtschaftssoziologische Ansätze im breiteren Feld (sozio)ökonomischer Perspektiven zu verorten und mit anderen Untersuchungsperspektiven zu vergleichen;
die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen der Sozialpolitik anzuwenden und sozialpolitische Ansätze vor dem Hintergrund wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele zu analysieren und zu diskutieren und ihre Gerechtigkeit und Effizienz zu bewerten;
(sozio)ökonomische Theorien und Modelle (z.B. vergleichende Wohlfahrtsstaatsanalyse) auf sozialpolitische Fragestellen anzuwenden und die österreichische und EU-Sozialpolitik international einzuordnen;
die Relevanz eines räumlichen Zugangs zu Wirtschaft (Betriebs- und Volkswirtschaft) zu erfassen und zu erkennen, wie wirtschaftsgeographische Forschung die ökonomische Forschung komplementiert;
wirtschaftsgeographische Fragestellungen eigenständig zu beschreiben und zu analysieren, insbesondere die sehr unterschiedlichen Auswirkungen der Globalisierung in einzelnen Staaten und Regionen zu erläutern und zu untersuchen und die geographische Konzentration wirtschaftlicher Akteure ökonomisch zu begründen und durch Fallbeispiele im Globalen Norden zu illustrieren;
die Einbettung von Märkten und Wirtschaft in historisch und geographisch differenzierte soziale, politische und ökologische Kontexte zu beschreiben und die Rolle von Institutionen für wirtschaftliches Handeln in diesen Kontexten zu erläutern;
die Entwicklung der europäischen Wirtschaft im globalen Kontext sowie die Ursachen und Folgen von Industrialisierung, Marktintegration und Strukturwandel in der Geschichte zu skizzieren;
die erworbenen Recherche-, Argumentations- und Schreibfähigkeiten auf spezifische sozioökonomische Fragestellungen eigenständig anzuwenden;
die Grundlagen der empirischen Sozialforschung zu verstehen, verschiedene empirische Forschungsmethoden in der Sozialforschung zu unterscheiden sowie die Bandbreite quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden zu beschreiben;
die Stärken und Schwächen der einzelnen Ansätze zu skizzieren und die Gültigkeit empirisch gewonnener Erkenntnisse, wie sie in zeitgenössischen Fachbeitragen dargestellt werden, zu bewerten;
für eine spezifische Forschungsarbeit geeignete methodische Zugänge und Daten zu identifizieren und zu begründen.
Struktur und Inhalte
Sequenzierung
Derzeit gibt es in dieser Spezialisierung keine Voraussetzungsketten, alle Kurse können in beliebiger Reihenfolge absolviert werden. Derzeit werden alle Kurse in jedem Semester angeboten.
Kursinhalte
Kurs I - Wirtschaftssoziologie
Der Kurs bietet eine grundsätzliche Einführung in die soziologische Analyse wirtschaftlicher Fragestellungen. Als soziologische Fachdisziplin und Teilgebiet der Sozioökonomie fördert die Wirtschaftssoziologie ein Verständnis des Wirtschaftens als soziales Handeln im Kontext sozialer Beziehungen, Normen, Strukturen, Institutionen und Kulturen. Dabei können in den einzelnen Kursen unterschiedliche thematische oder theoretische Schwerpunkte gesetzt werden. Dazu gehört etwa die Auseinandersetzung mit soziologischen und wirtschaftssoziologischen Kernkonzepten (wie Markt, Staat, Arbeit, Kapital, Geld, Recht, Eigentum), wirtschaftssoziologischen Problemstellungen und Debatten (z.B. Entwicklung des Kapitalismus, Vermarktlichung, Finanzialisierung, soziale Ungleichheit, Prekarisierung der Arbeit, Digitalisierung, sharing economy), und unterschiedlichen theoretischen Ansätzen (Ansätze der klassischen und neuen Wirtschaftssoziologie; Wirtschaftssoziologie im Vergleich zu neoklassischer Wirtschaftstheorie, Verhaltensökonomie, neuem ökonomischen Institutionalismus).
Kurs II - Sozialpolitik
Ziele des Kurses sind das Kennenlernen und die kritische Analyse von theoretischen und konzeptionellen Grundlagen der Sozialpolitik. Studierende lernen dazu, (sozio)ökonomische Theorien und Modelle auf sozialpolitische Fragestellungen anzuwenden. Sie lernen, österreichische Sozialpolitik international einzuordnen und zu bewerten und die Relevanz der EU-Sozialpolitik einzuschätzen. Schließlich sollen die Studierenden auch dazu motiviert werden, eigene, fundierte Positionen zu sozialpolitischen Fragstellungen und Reformvorhaben zu entwickeln.
Folgende Themen werden behandelt: Gegenstand und Strukturelemente der Sozialpolitik, alternative Konzepte des Wohlfahrtsstaates, Gerechtigkeit und Effizienz von Sozialpolitik, Sozialpolitik und Institutionenwahl; Sozialpolitik in Österreich und in der Europäischen Union.
Kurs III - Wirtschaftsgeographie
Wir leben in einer Zeit raschen wirtschaftlichen Wandels, der sich in der Globalisierung, Neoliberalisierung, Finanzialisierung und Urbanisierung der Wirtschaftstätigkeit, der Entstehung neuer Automobilindustrien, dem rasch fortschreitenden Klimawandel und der Umweltzerstörung sowie der zunehmenden Ungleichheit auf nationaler und internationaler Ebene manifestiert. Dieser Kurs zeigt, wie diese Prozesse von der wirtschaftlichen Umgebung geprägt werden und diese prägen, wie eine durch die Globalisierung bedingte Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen auf der ganzen Welt gleichzeitig die Investition von Kapital an bestimmten Orten erfordert, was zu einer Konzentration in Knotenpunkten wirtschaftlicher Aktivität führt, von denen aus diese globalisierten Geld-, Personen- und Warenströme gesteuert werden. Das Ergebnis der unzähligen Entscheidungen einzelner Staaten, multinationalen Konzerne, Politiker, Arbeitnehmer und Verbraucher ist eine Welt, die durch eine geographisch ungleiche wirtschaftliche Entwicklung gekennzeichnet ist. Einige Länder, Regionen und Städte profitieren von diesen Prozessen, während andere verlieren. Der Versuch, eine ungleiche räumliche Entwicklung zu erklären, ist eines der Markenzeichen der wirtschaftsgeographischen Forschung, und in diesem Kurs werden wir sehen, was dies im Kontext der realen Weltwirtschaft bedeutet.
Der Kurs wird in der Regel in englischer Sprache gehalten.
Kurs IV - Wirtschaftsgeschichte
Dieser Kurs gibt einen umfassenden, thematisch orientierten Überblick über die Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Der Fokus liegt auf Europa und seiner wirtschaftlichen Integration, sowohl innerhalb von heute existierenden Ländern als auch für den Kontinent als Ganzes und seine Integration in die sich entfaltende Weltwirtschaft.
Die Gliederung des Kurses ist eher thematisch als chronologisch. Einige der Themen sind: Wirtschaftsgeschichte und die Entstehung Europas; Marktintegration, Urbanisierung und ihre sozialen und wirtschaftlichen Ursachen und Folgen; Bevölkerung und Ressourcenlimits: das malthusianische Modell und die Welt vorindustriellen Wirtschaften; Institutionen, Eigentumsrechte und wirtschaftliche Entwicklung; Industrialisierung, Unternehmertum und Technologietransfer; Geld, Kredit und Finanzwesen in der Geschichte; Handel und Wachstum (oder nicht?); Globalisierung in der Geschichte - Ursachen, Chancen, Risiken und Reaktionen; wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten, sowie die europäische Wirtschaft und Integration nach 1945.
Kurs V - Einführung in die empirische Sozialforschung
Ziel dieser Lehrveranstaltung ist die Vermittlung grundlegender Kenntnisse der empirischen Sozialforschung. Studierende lernen die grundlegende Logik von Forschungsdesigns kennen und diskutieren eine Auswahl statistischer und kausaler Analysen realer Phänomene, die häufig in der empirischen Sozialforschung verwendet werden. Wir werden uns auf „clevere Forschungsdesigns“ konzentrieren. Der Schwerpunkt des Kurses liegt daher auf den folgenden zusammenhängenden Themen: die Art der wissenschaftlichen Unsicherheit, die Logik verfügbarer Forschungsdesigns, die Stärken und Schwächen dieser Forschungsdesigns, die Grenzen des Wissens, das wissenschaftliche Forschung bietet. Während des Studiums führen die Studierenden viele kleine Aktivitäten durch, die dabei helfen, die Grundlagen der empirischen Sozialforschung zu verstehen. Nach Abschluss des Kurses verfügen die Studierenden über die notwendigen Fähigkeiten, um sowohl als informierte „Konsumenten“ empirischer Artikel als auch als „Produzenten“ kleinerer Forschungsprojekte zu agieren. Die Studierenden erwerben die hierfür erforderlichen Fähigkeiten verschiedene empirische Forschungsmethoden der Sozialforschung zu unterscheiden, den Umfang quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden zu verstehen und den methodischen Ansatz zeitgenössischer Forschungsartikel zu bewerten.
Der Kurs wird in der Regel vorwiegend in englischer Sprache gehalten.
Anmeldung zur Spezialisierung
Voraussetzung für die Anmeldung zu Spezialisierungen und Komplementärfächern sind mind. 20 ECTS aus dem CBK inklusive der Lehrveranstaltungen „Jahresabschluss und Unternehmensberichte“, „Mathematik“ und „Statistik“.
Spezialisierungen wählt man, indem man sich via LPIS für den Kurs „Einstieg in die Spezialisierung: (Name der Spezialisierung)“ bzw. „Access to Specializations: (Name der Spezialisierung)“ anmeldet. Nachdem Sie beim Einstieg in die Spezialisierung mit „mit Erfolg teilgenommen“ beurteilt worden sind, können Sie die jeweilige Spezialisierung in LPIS auswählen und sich zu den Kursen anmelden.
Mehr Informationen dazu finden Sie auch unter: Bachelorguide
Die Platzzuteilung („mit Erfolg teilgenommen“) erfolgt nach dem First-Come-First-In Prinzip.
Kontakt
Univ.Prof. Sabine Frerichs
Institutsvorständin des Instituts Soziologie und Empirische Sozialforschung
Univ.Prof. Markus Lampe
Institutsvorstand des Instituts Wirtschafts- und Sozialgeschichte