2021 - Restitution an die Erbinnen nach Sigmund Mayer
Im Juli 2021 konnte erstmals ein Buch restituiert werden, das aufgrund eines Eintrages in der Kunstdatenbank des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismusvon Erbinnen ausfindig gemacht wurde.
Sigmund Mayer wurde am 12. Dezember 1831 im Preßburger Ghetto als Sohn eines Textilgroßhändlers geboren. Nach seiner Matura am Wiener Schottengymnasium studierte er an den Universitäten Wien und Prag Jura. Aufgrund eines Augenleidens gab er das Studium jedoch auf und trat in den väterlichen Betrieb ein, der 1854 um eine Filiale in Wien erweitert wurde. Nach einigen Jahren führte er sein eigenes Geschäft, das er 1866 vom Einzelhandel auf den Orient-Export umstellte. 1874 gründete er mit seinem Bruder Albert die Firma „A. Mayer & Co.“, deren Hauptsitz sich in Alexandria befand, lediglich eine kleine Niederlassung verblieb in Wien.
Sigmund Mayer war aber nicht nur ein erfolgreicher Kaufmann, er hatte auch großes Interesse an der Geschichtswissenschaft, der Publizistik – wovon zahlreiche Veröffentlichungen zeugen - und der Politik. Während die Familie eher unauffällig und assimiliert lebte, war Sigmund Mayer politisch sehr aktiv. 1880 wurde er in den Wiener Gemeinderat gewählt. War er zunächst noch ein Mitstreiter des späteren Bürgermeisters Karl Lueger gewesen, schloss er sich bereits 1881 den Konservativen (bis 1890) an. Mayer, der vor allem in ökonomischen Fragen als Kapazität galt, setzte sich aber auch für die Interessen seiner jüdischen Mitbewohner und Mitbewohnerinnen ein und engagierte sich ab 1894 aktiv in der „Oesterreichisch-Israelitischen Union“ gegen den wachsenden Antisemi- tismus.
Sigmund Mayer hatte acht Kinder, fünf aus erster und drei (Felix, Alice und Helene) aus zweiter Ehe. Seine Bibliothek vermachte er zunächst seinem Sohn Felix, änderte seinen letzten Willen aber 1919 dahingehend, dass sich Helene und Felix die Bibliothek teilen sollten. Für den Fall, dass sie sich bezüglich der Verteilung nicht einigen könnten, sollte seine Frau Pauline eine Entscheidung treffen. Sigmund Mayer starb am 29. Oktober 1920 im 89. Lebensjahr. Sohn Felix wurde am 10. März 1884 in Wien geboren und arbeitete als Prokurist der Firma A. Mayer & Co. in Wien. Mit seiner Frau Helene hatte er einen Sohn Thomas, der am 18. Jänner 1927 in Wien geboren wurde. Felix Mayer und seine Familie konnte über Großbritannien in die USA flüchten, wo er 1960 in New York starb. Thomas Mayer wurde ein renommierter amerikanischer Wirtschaftswissenschafter, der 2015 im kalifornischen Berkeley starb.
Helene Mayer wurde 10. Oktober 1894 in Wien geboren und promovierte als zweite Frau in Österreich in Jura. Die Ehe mit dem Juristen Dr. Georg Eissler blieb kinderlos. Das Ehepaar wurde 1941 nach Łódź deportiert. Sie überlebten die Shoah nicht.
Bei dem restituierten Buch handelt es sich um folgenden Titel: "Die Gemeinde-Verwaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in den Jahren 1877 bis 1879. Bericht des Bürgermeisters Dr. Julius R. v. Newald, Wien 1881". Es liegt nahe, anzunehmen, dass dieses Buch im Kontext von Sigmund Mayers Tätigkeit im Wiener Gemeinderat Eingang in seine umfangreiche Bibliothek gefunden hatte.
Da dieses Buch – nicht zuletzt aufgrund der Häufigkeit und der Fehleranfälligkeit bei der Schreibung des Namens – keinem Eigentümer zugeordnet werden konnte, wurde es im Frühjahr 2018 in die Kunstdatenbank des Nationalfonds aufgenommen.
Im September 2019 meldete sich Dr. Karina Urbach aus Princeton (USA) und schrieb, dass ihr Urgroßvater Sigmund Mayer eine große private Bibliothek in seinem Haus in Döbling besessen und sein Sohn Felix diese Sammlung geerbt hatte. Diese wurde 1938 von den Nationalsozialisten geplündert.
Am 22. Juli 2021 wurde das Buch im Jüdischen Museum Wien an Karina Urbach restituiert, die bei dieser Gelegenheit ihr Buch „Das Buch Alice. Wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten“ vorstellte.