CO2-Abscheidung: Eine Klimatechnologie mit Potenzial
Technologien zur Abscheidung von CO2 aus der Luft können Strategien zur Reduzierung von CO2-Emissionen an der Quelle ergänzen. Der Erfolg hängt jedoch davon ab, wie schnell solche Technologien skaliert werden können, so eine aktuelle Studie unter Beteiligung der WU.
Durch direkte Abscheidung von Kohlenstoff aus der Luft (das sogenannte Direct Air Capture with Carbon Storage, DACCS) könnten bis Mitte des Jahrhunderts fast fünf Gigatonnen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre entfernt werden.
Voraussetzung dafür ist, dass sich die neue Technologie, bei der Chemikalien eingesetzt werden, um das wärmespeichernde Gas direkt aus der Luft zu gewinnen, ähnlich schnell entwickelt wie andere Technologien, die sich in der Vergangenheit schnell durchgesetzt haben. Dies geht aus einer neuen, in PNAS veröffentlichten Studie hervor, die von einem internationalen Forschungsteam – darunter Kavita Surana von der WU – durchgeführt wurde.
Bis zu fünf Gigatonnen
Das Team unter Leitung der University of Wisconsin-Madison kommt zu dem Ergebnis, dass DACCS ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels sein könnte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass mithilfe von DACCS bis 2050 jährlich fast fünf Gigatonnen CO2 entfernt werden könnten, wenn diese Technologie den Weg der schnell wachsenden Technologien wie der Photovoltaik einschlägt“, erklärt Kavita Surana, Professorin an der WU Wirtschaftsuniversität Wien, Associate Faculty am Complexity Science Hub und Senior Fellow an der University of Maryland. Sie könnte jedoch nur 0,2 Gigatonnen pro Jahr aus der Atmosphäre entfernen, wenn die Technologie mit ähnlicher Geschwindigkeit ausgebaut wird, wie langsam wachsende Technologien – zum Beispiel Erdgaspipelines, so Kavita Surana.
Zum Vergleich: Die weltweiten CO2-Emissionen überstiegen im vergangenen Jahr vierzig Gigatonnen. Wissenschafter:innen haben festgestellt, dass wir bis etwa Mitte dieses Jahrhunderts die Netto-CO2-Emissionen auf Null senken müssen, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen, wie es im Pariser Abkommen vorgesehen ist.
„Länder auf der ganzen Welt und viele andere Akteur:innen – von lokalen Regierungen über Unternehmen bis hin zu Universitäten – setzen sich Netto-Null-Ziele“, sagt Morgan Edwards von der University of Wisconsin-Madison. „Wir wissen, dass wir die CO2-Emissionen rasch dort reduzieren müssen, wo sie entstehen, aber auch Technologien wie DACCS, die CO2 direkt aus der Atmosphäre entfernen, könnten eine wichtige Rolle spielen.“
Daten aus der Vergangenheit für die Zukunft
Der neuartige Ansatz der Forschenden verbindet Indikatoren für die frühe Übernahme von DACCS mit Daten über analoge Technologien aus der Vergangenheit. So lassen sich DACCS-Wachstumsszenarien in Modellen entwerfen.
Um das Innovationswachstum von Hunderten von Technologien über mehr als ein Jahrhundert hinweg zu verfolgen, verwendete das Team die Datenbank Historical Adoption of TeCHnology (HATCH). Basierend auf Technologien, die strategische Ähnlichkeiten mit DACCS aufweisen, untersuchten die Wissenschafter:innen dann mögliche DACCS-Wachstumspfade bis zum Jahr 2100. Diese Pfade wurden schließlich in GCAM, einem integrierten Bewertungsmodell, modelliert, um zu ermitteln, wie sich die Einführung von DACCS darauf auswirkt, ob die Gesellschaft eine 1,5°C-Zukunft erreichen kann.
Dabei verdeutliche die große Bandbreite der DACCS-Szenarien die Unsicherheiten, die mit der die Vorhersagen, welche Verbreitung eine Technologie finden wird, verbunden sind, so die Autor:innen. „Aber die Verwendung historischer Analogien, um Geschichten über die Zukunft zu erzählen, kann dabei helfen, das politische Umfeld zu identifizieren, das die Entwicklung von DACCS beschleunigen könnte, wie es zum Beispiel bei der Wind- und Solarenergie der Fall war“, erklärt Zachary Thomas von der University of Wisconsin-Madison.
Investor*innen und Unternehmen
Diese Studie ist Teil eines umfassenderen Forschungspakets zu Klima- und Energietechnologien, das sich auf die Kombination von Daten zu Start-ups und Investitionen mit Systemmodellen konzentriert, um die Rolle von Innovationen bei der Erreichung von Klimaergebnissen besser zu verstehen. Die Autor:innen hatten zuvor Unternehmen als wichtige Investor:innen in Klima-Technologie-Start-ups identifiziert, deren Entscheidungen die Entwicklung der Technologie beeinflussen könnten, wobei DACCS ein wichtiger Investitionsbereich ist.
"Investor:innen und Unternehmen haben ein wachsendes Interesse an DACCS, da sie Abnahmevereinbarungen abschließen, um den aus der Luft abgeschiedenen Kohlenstoff von Start-ups zu kaufen. Die Verwendung von Daten über Ankündigungen von Start-ups, Plänen und aktuellen Kapazitäten für verschiedene Arten von DACCS liefert uns bessere Informationen über frühe Adoptionsmuster, die uns wiederum besser darüber informieren können, wie die Verbreitung von DACCS skalieren könnte", erklärt Surana.
Wichtiges Instrument
DACCS ist eine von mehreren Technologien, die CO2 aus der Atmosphäre gewinnen und es unterirdisch, an Land, im Meer oder in langlebigen Produkten speichern. Seit dem wegweisenden Pariser Abkommen von 2015, in dem das Ziel festgelegt wurde, den globalen Temperaturanstieg bis etwa zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 °C zu begrenzen, sind sich Forschende einig, dass es notwendig sein wird, bis etwa 2050 Netto-Null-Emissionen zu erzielen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu werden mit einiger Sicherheit Technologien zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre sowie eine erhebliche Emissionssenkung erforderlich sein.
„Natürlich ist DACCS nur eine von vielen Ansätzen, die dazu beitragen, das Ziel von Netto-Null-Emissionen zu erreichen, aber diese Studie verdeutlicht, dass es ein wichtiges Instrument ist und dass seine Entwicklung in der klimapolitischen Diskussion nicht übersehen werden sollte“, so Surana.
Details zur Studie und weitere Informationen
Modeling direct air carbon capture and storage in a 1.5°C climate future using historical analogues" M. R. Edwards, Z. H. Thomas, G. Nemet, S. Rathod, J. Greene, K. Surana, K. M. Kennedy, J. Fuhrman and H. C. McJeon.
Link zur Studie
Kavita Surana leitet das WU Institute for Data, Energy, and Sustainability und ist Inhaberin der BMK Stiftungsprofessur für datengetriebene Wissensgenerierung: Klimaschutz. Zudem ist sie Associate Faculty am Complexity Science Hub.