Von Fans für Fans: Wie Genossenschaften die Zukunft des Fußballs und anderer Vereinssportarten mitgestalten können

06. März 2024

Millionenbeträge als Ablösesummen – milliardenhohe Clubbewertungen. Die Kommerzialisierung des Fußballs schreitet ungebremst voran und äußert sich jährlich in neuen finanziellen Stilblüten. Viele Vereine übernehmen sich im sportlich-wirtschaftlichen Wettkampf mit anderen Clubs. Möglicherweise könnte die Genossenschaft diesen Vereinen eine Alternative zum bestehenden System bieten. Näheres dazu in diesem Beitrag.

Lesezeit: 7 Minuten

Seit etwas mehr als einem Monat ist der Fußball wieder ein beherrschendes Thema in Österreich: Die Stadien füllen sich, die Fans unterstützen ihre Mannschaften leidenschaftlich, und die Vereine kämpfen in nationalen Ligen und internationalen Pokalwettbewerben um „Ruhm und Ehre“. Auch die Nationalteams stehen wieder im Rampenlicht, da ab Juni die Europameisterschaft 2024 bevorsteht. Für viele Menschen ist der Frühling mit der Rückkehr des Fußballs endlich angebrochen, denn dieser Sport bedeutet für sie mehr als nur ein Freizeitvergnügen - für einige ist er beinahe eine Art Religion, die sie mit Hingabe verfolgen.

Fußball – Sport, Leidenschaft, Kommerz?

Der Fußball ist längst nicht mehr nur eine Sportart, sondern ein riesiger Wirtschaftszweig, der eine Vielzahl von Akteuren anzieht, die auf unterschiedliche Weise von diesem globalen Phänomen profitieren wollen. Von Wettbüros, Spielerberater*innen, der Werbeindustrie bis hin zu TV-Sendern und Streamingdiensten – sie alle schneiden am Mega-Geschäft Fußball mit. Doch während die Möglichkeiten zum Verdienen zahlreich sind, sind auch die Herausforderungen und Risiken für die Marktteilnehmer nicht zu übersehen: für das Millionengeschäft zählt zunehmend das Motto „Geld regiert die Welt“, was sich zuletzt auch in medial viel beachteten Transfers von Starspielern in sportlich bis dahin unbedeutende Ligen äußerte. Längst hat sich der Fußball nämlich auch als Instrument für Staaten entwickelt, um ihre wirtschaftliche Macht im internationalen Vergleich zur Schau zu stellen und das Image aufzupolieren.

In einer Welt, in der der sportliche Erfolg eng mit der finanziellen Ausstattung verbunden ist und einige Marktteilnehmer aufgrund ihrer finanziellen Ressourcen deutliche Vorteile genießen, stehen kleinere Vereine vor immer größeren Überlebensherausforderungen. Während große Summen in den Sport fließen und finanziell potente Clubs dominieren, kämpfen die kleineren Vereine, die nicht über diese Mittel verfügen, um ihre Existenz. Die Diskrepanz zwischen den finanziellen Möglichkeiten kann den Wettbewerb verzerren und schließlich auch den zukünftigen Zugang zu Erfolg und Ressourcen ungleich verteilen, was die Vielfalt und den Wettbewerb im Fußball bedroht.

In Österreich sind die finanziellen Sorgen bei den Profivereinen (Vereine, deren Spieler den Sport hauptberuflich betreiben) mit Ausnahme beim von Red Bull finanzierten Salzburger Team omnipräsent. Während Vereine wie Sturm Graz, LASK Linz oder Rapid Wien aktuell für stabile finanzielle Bedingungen gesorgt haben, ist vor allem der zweite Wiener Großverein, die Wiener Austria seit vielen Jahren immer wieder von der Insolvenz bedroht. Auch wenn diese in den vergangenen Jahren stets abgewendet werden konnte, beweisen die Pleiten von Traditionsvereinen wie Wacker Innsbruck (2022) dem Grazer Athletikclub (2012) und dem SK Austria Kärnten (2010) wie schnell das Schreckgespenst die Vereine doch einholen kann. Die Sorgen werden die Wiener Austria in den kommenden Monaten und Jahren weiter begleiten, da mehr als 16 Millionen negatives Eigenkapital zu Buche stehen (siehe Webbericht). Zuletzt musste mit dem SC Ritzing übrigens ein österreichischer Drittligist (!) den Spielbetrieb einstellen, da dieser nicht mehr finanziert werden konnte.

Im Nachbarland Deutschland, in dem die Fußballmanie tendenziell noch höher eingeschätzt werden kann, als in Österreich, kämpfen aktuell ebenfalls mehrere Traditionsvereine um das Überleben. Während die größten Fußballclubs mittlerweile zumeist als Kapitalgesellschaften (AG, GmbH, GmbH & Co. KG auf Aktien) organisiert sind und bei diesen die wirtschaftliche Performance im Zentrum der Interessen steht, sind in der Deutschen Bundesliga nur mehr fünf Clubs als „eingetragene Vereine“ tätig (1. FC Union Berlin, SC Freiburg, 1. FSV Mainz, SV Darmstadt 98, 1. FC Heidenheim 1846). Es sind aber vor allem jene Traditionsvereine, die nicht (mehr) an der 1. Bundesliga teilnehmen, die mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben, allen voran Hertha BSC Berlin und der FC St. Pauli.

Genossenschaftlich organisierte Fußballclubs, ein Modell der Zukunft?

Letztgenannter Verein aus dem gleichnamigen Hamburger Stadtteil ist der Hauptgrund dafür, dass wir uns dem Thema Fußball in unserem Genossenschaftsblog widmen: bereits vor etwa fünf Jahren kam dort die Idee auf, den Verein in eine Genossenschaft zu überführen. Seit vergangenem Jahr, als zwar ein Rekordumsatz in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro erzielt werden konnte, aber dennoch ein Geschäftsverlust von etwa 5 Millionen Euro für den Fußballclub zu Buche stand, wurde diese Idee wieder aufgenommen. Die Einnahmen aus TV-Rechten drohen in Zukunft zu stagnieren oder sogar zu sinken, während Großinvestoren für den FC St. Pauli keine Option sind und der Verein sich bewusst gegen bestimmte Partnerschaften und Einnahmequellen entschieden hat, die andere Clubs nutzen. Angesichts dieser Herausforderungen stellte sich die Frage, wie der FC St. Pauli finanzielle Stabilität erreichen und Eigenkapital aufbauen kann, um den Verein weiterzuentwickeln.

Warum also kann es für einen (Fußball-)Verein, der an einem kostspieligen Spielbetrieb teilnimmt, sinnvoll sein, sich in eine Genossenschaft umzuwandeln? Dies liegt vor allem daran, dass die Genossenschaft – in Deutschland wie in Österreich – gegenüber dem Verein den Vorteil hat, eine Unternehmensrechtsform zu sein und dass Gewinne erwirtschaftet werden können und damit auch die Mitglieder gefördert werden können. Dies kann speziell für Fans interessant sein, die ihr Team unterstützen und zudem bereit sind, finanziell an möglichen Gewinnen (und Verlusten) teilzuhaben. Zudem basieren Genossenschaften auf dem „one man – one vote“-Prinzip: unabhängig von der Anzahl der gezeichneten Geschäftsanteile haben also, wenn nicht anderes in der Satzung festgelegt, alle Mitglieder nur eine Stimme in der Generalversammlung, dem primären Organ und Entscheidungsgremium der Genossenschaft.

Der Fußballclub FC St. Pauli möchte im ersten Halbjahr 2024 nun endgültig die Voraussetzungen schaffen, den Verein, bzw. konkret einen Teil des Vereins, in eine Genossenschaft zu überführen. Diesbezüglich äußerte sich der Präsident des Vereins , Oke Göttlich, wie folgt: "Es geht um ein Finanzierungsmodell, das zum FC St. Pauli passt." (Quelle: Webbericht NDR). Zudem stellte er fest, dass der Verein „allen zeigen [will], dass nicht nur ein anderer Fußball möglich ist, sondern dass dieser andere Fußball auch noch ein Erfolgsmodell darstellt“ (Quelle: Webbericht NDR).

Der FC St. Pauli wäre der bisher größte Fußballclub, der sich genossenschaftlich organisiert, jedoch nicht der erste: Bereits 2005 hat sich der FC United of Manchester als Genossenschaft organisiert. Im Wirtschaftssprech könnte man sagen, dass es sich um ein „Spin-off“ des wesentlich größeren und bekannteren Clubs Manchester United handelt: Die Fangemeinschaft hat mit der Gründung des FC United of Manchester gegen die Übernahme Manchester Uniteds durch den amerikanischen Investor Malcolm Glazer protestiert. Auch hier war Ursache der Widerstand gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Sports: Viele Fans, die mit der Übernahme des Vereins nicht einverstanden waren, gründeten kurzerhand gemeinsam einen neuen Fußballclub, um zu verdeutlichen, dass sie nicht käuflich sind. Die Fans und Eigentümer des FC United of Manchester haben es sich seither zum Ziel gesetzt, den Fußball für alle Menschen zugänglich, finanzierbar und basisdemokratisch organisiert zu halten. Jedes Mitglied hat einen Jahresbetrag von 12 Pfund (Kinder 3 Pfund) zu leisten und jede*r Genossenschafter*in kann nur einen Anteil an der Genossenschaft erwerben. Die tausenden beteiligten Fans sind stolz auf ihren Verein, auch wenn dieser aktuell nur in der siebthöchsten englischen Liga mitspielt. Mit 6.023 Besuchern am 23. April 2006 hält der FC United of Manchester übrigens nach wie vor den Zuschauerrekord dieser Spielklasse.

Genossenschaften im Fußball und als Lösung anderer Vereine – ein Zukunftsausblick

Ob das "Projekt Genossenschaft" beim FC St. Pauli tatsächlich verwirklicht wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Falls es dazu kommt, könnte dieser „Präzedenzfall“ auch für österreichische Vereine von Interesse sein und sie dazu ermutigen, über eine ähnliche Organisationsform nachzudenken. Sollte dies dazu führen, dass die Gefahr einer Insolvenz bei österreichischen Traditionsvereinen endgültig gebannt wird, dürfte dies bei den Fußballfans auf große Zustimmung stoßen! Im Endeffekt sollten nicht nur die wirtschaftlichen Interessen im Mittelpunkt stehen, sondern vor allem auch der Sport, die langfristige Stabilität und die enge Verbindung zwischen Vereinen und ihren Fans.

Im Übrigen soll ganz allgemein ergänzt werden, dass es in Österreich – auch abseits des Fußballs – viele Vereine gibt, die schon lang als Unternehmen anzusehen sind und daher in eine Unternehmensrechtsform umzuwandeln wären. Und die Genossenschaft ist dabei im Vergleich zu den übrigen zur Verfügung stehenden Rechtsformen dem Verein wohl am nächsten.

Autor: Gregor Rabong

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

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