Studierende stehen vor dem LC und blicken lächelnd einer Kollegin mit einer Mappe in der Hand nach.

Elektronische Demokratie in Europa

21. Mai 2011

Im vergangenen Jahr wurde im Arbeitskreis e-Demokratie des Forum e-Government viel gearbeitet. Neben der Abhaltung von 6 Arbeitssitzungen mit 18 hochinteressanten Fachvorträgen zu den technischen, rechtlichen und sozio-politischen Aspekten der e-Demo

Zunächst ist es wichtig, eine grundlegende Unterscheidung zu treffen, da die Initiativen unterschiedliche Phasen im demokratischen Prozess betreffen: (i) Information und Meinungsbildung durch den Bürger („e-Begutachtung“, „e-Partizipation“), (ii) Initiativen zur Abgabe von Unterstützungserklärungen für ein Thema oder Kandidaten („e-Petition“, „e-Intiative“), (iii) die Entscheidung („e-Voting“, aber auch die Evaluation der Beiträge in einer elektronischen Diskussion). Im Folgenden eine kurze Auswahl von einigen interessanten e-Democracy-Initiativen in Europa.

UK

2002/3 wurde in dem vermutlich größten jemals veranstalteten e-Voting-Einsatz die elektronische Stimmabgabe für die Wahl zu bislang 18 lokalen Vertretungen (Gemeinde- und Shire-Ebene) eingesetzt. Dabei kam eine Vielzahl von Kanälen zum Einsatz: digitales Fernsehen, Touch Phones, SMS, Kiosksysteme an frequentierten öffentlichen Plätzen und Internet Voting. Dabei gaben Zehntausende ihre Stimme mittels e-Voting ab. Technisch wurden die Pilotversuche dadurch erleichtert, dass die Anonymität in der Stimmabgabe in Großbritannien generell nur relativ zu sehen ist – sie kann nachträglich aufgehoben werden, wobei die Stimmen dann den einzelnen Wählern zuordenbar sein müssen. Dies ermöglichte es, sich auf die Identifizierung des Wählers und die Nachvollziehbarkeit der Stimmabgabe zu konzentrieren. Die Systeme wurden vom Office of the Deputy Prime Minister zentral ausgewählt und den lokalen Behörden für die Feldversuche zur Verfügung gestellt (siehe -> www).

In Schottland kam 2001 erstmals ein e-Petitionssystem zum Einsatz und zwar zu Fragen der Umweltpolitik. Die Beteiligung auch von Auslandsschotten war dabei ein deklariertes Ziel. Kombiniert ist das Petitionssystem mit einem moderierten Diskussionsforum, an dem sich auch Politiker beteiligen. Das System wird von der Napier University betreut (http://itc.napier.ac.uk/e-petition-scot). Authentisierung der Unterstützer erfolgt durch Name und Adresse sowie die Angabe weiterer persönlicher Daten zu Kontrollzwecken.

Schweiz

Im Schweizer Kanton Genf wird ein e-Voting-System für die Stimmabgabe eingesetzt. Die Wahlberechtigten erhalten eine Briefwahlkarte, die einen verdeckten PIN enthält. Wird der PIN für die Stimmabgabe über das Internet offengelegt, kann die Karte nicht mehr als Briefwahlkarte verwendet werden. Die Wähler können eine Internetseite aufrufen, werden über den PIN authentisiert und erhalten einen elektronischen Stimmzettel. Dieser wird ausgefüllt und verschlüsselt an die Wahlbehörde gesandt (siehe -> www).

Dieses System kam erstmals 2003 in der Gemeinde Anières zum Einsatz.

Schweden

Ein wesentliches Hindernis bei der Partizipation des Einzelnen ist dessen Bewußtsein über Vorgänge, die ihn betreffen und wo eine Teilnahme an der Diskussion gewünscht wird. In den meisten e-Partizipationssystemen wird dies durch Newsletter gelöst, was aber die bewußte Entscheidung der Verwaltung/Politik voraussetzt, den Bürger zu informieren. Im stockholmer Gemeindebezirk Norrmalm wird dies durch einen Softwareagenten gelöst, bei dem sich der Bürger unter Angabe von Schlüsselbegriffen registrieren kann und der laufend alle Publikationen der Stadt scannt. Stößt der Agent auf einen Begriff von Interesse, werden die betreffenden Abonnenten per e-Mail benachrichtigt.

Darüber hinaus wird ein moderiertes Diskussionsforum betrieben, in dem sich jeder durch Angabe von Name, Adresse und e-Mail registrieren kann – eine darüber hinaus gehende Authentisierung gibt es nicht. Ähnliche Foren sind in zahlreichen Gemeinden Schwedens bereits in Betrieb.

Frankreich

Zwei große e-Voting Pilotprojekte mit realer Stimmabgabe wurden in Frankreich durchgeführt:
1. In der Gemeinde Issy-les-Moulineaux wurden Kiosksysteme in den Wahlzellen verwendet, aber auch ein Internet-basiertes e-Voting-System. Hier traten beträchtliche Performanceprobleme auf, da ein großes Java Applet zu laden war (Ladezeit bei Wählverbindungen bis zu 45 min), außerdem verwendete das System einen eigenen Port, der in vielen Unternehmensfirewalls gesperrt war.

2. Im Rahmen einer Initiative von Außenminister de Villepin hatten 2003 die in den USA lebenden Auslandsfranzosen die Möglichkeit, ihre Repräsentanten im Hohen Rat der Auslandsfranzosen per Internet-Voting oder mit Kiosksystemen in den Konsulaten zu wählen. Die Konsulate sandten jedem bekannten Auslandsfranzosen in den USA in einem Informationsbrief PIN und Paßwort zu; den Wählern stand eine Login-Seite zur Verfügung, unmittelbar nach Eingabe von PIN/Paßwort erschien der Stimmzettel, der ausgefüllt und abgeschickt werden konnte. PCs mit demselben System standen in den Konsulaten zur Verfügung (siehe unten für einen Projektbericht).

Deutschland

Hier fanden die ersten Internet-Wahlen bereits 1999/2000 statt (Studentenparlament Osnabrück mit realer Stimmabgabe, Testwahl zur Personalvertretungswahl des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg (siehe -> www). Zum Einsatz kam dabei ein System mit chipkartenbasierter Identifikation, das auch bei weiteren Piloten und Tests zum Einsatz kam (zuletzt beim Parteitag der SPD 2003).

Mittlerweile konzentrieren sich die deutschen e-Voting-Bemühungen auf die Vernetzung der Wahllokale und die Schaffung einer zentralen elektronischen Wählerevidenz (Projekt WIEN – Wählen in elektronischen Netzen, siehe -> www); damit würde die infrastrukturelle Voraussetzung für den großflächigen Einsatz von e-Voting geschaffen werden.

Belgien

Die Regionalregierung in Flandern betreibt seit 2002 ein online Forum „Kleurrijk Vlaanderen“ (farbenfrohes Flandern, www.kleurrijkvlaanderen.be), wo die Regionalregierung Information zur aktuellen Themen bereitstellt und moderierte online Diskussion möglich ist, bei der die Diskutanten auch eigene Informationsquellen einbringen können. Nur registrierte Nutzer können an der Diskussion teilnehmen, Nutzer können ein persönliches Profil angeben, wobei auch spezifische Auditorien möglich sind (z.B. Berufsgruppen, Unternehmer, regional begrenzte Foren etc.). Die Angaben der Nutzer bei der Registrierung werden allerdings nicht überprüft, so daß keine Authentisierung möglich ist.

Österreich

In Österreich gibt es nur vergleichbar wenige Initiativen im Bereich e-Demokratie. An der Wirtschaftsuniversität Wien wurde ein Internet-Voting-System entwickelt, das in einem Test 2003 bei der ersten Internetwahl Österreichs anläßlich der ÖH-Wahl an der Wirtschaftsuniversität eingesetzt wurde (s. Bericht im OCG-Journal 2/2003).

Europarat

Der Europarat widmet dem Thema e-Voting eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Ziel, eine Empfehlung für eine Standardisierung von e-Voting-Systemen auszuarbeiten (siehe unten die Links zu den relevanten Dokumenten). Dies zeigt, dass europaweit großes Interesse am Thema e-Voting besteht.

Termine

Abschließend sei auf einige wichtige Termine zum Thema e-Democracy verwiesen:

  1. Im Rahmen der DEXA 2004 in Zaragossa 30. August – 3. September findet die 3rd International Conference on Electronic Government statt (Conference Chair: Roland Traunmüller, www.dexa.org). Die Paper Submission Deadline ist am 1. Februar 2004, wobei sich ein Konferenzbereich mit dem Thema e-Democracy beschäftigt.

  2. Speziell dem Thema e-Voting widmet sich der ESF TED Workshop on Electronic Voting in Europe vom 7.-9. Juli 2004, der von der OCG und der Wirtschaftsuniversität Wien veranstaltet und von der European Science Foundation gefördert wird (Chair: Alexander Prosser, siehe -> www), hier läuft die Frist für das Einreichen von Beiträgen bis 15. Februar 2004.

  3. Zu guter letzt möchten wir sie recht herzlich zum nächsten Treffen des Arbeitskreises e-Democracy einladen, das am 23.1. 15.00 in den Räumen der OCG, Wollzeile 1, A-1010 Wien stattfinden wird.

Verknüfte Dateien

Verknüpfte Verweise

Original Veröffentlichungsdatum: 20.1.2004 (Wurde von der alten evoting.at Seite portiert)

 

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