Studierende stehen vor dem LC und blicken lächelnd einer Kollegin mit einer Mappe in der Hand nach.

e-Voting.at - Wählen über das Internet

21. Mai 2011

Ein vom Ju­bi­lä­ums­fonds der Stadt Wien ge­för­der­tes Pro­jekt. Die Ab­tei­lung Pro­duk­ti­ons­ma­nage­ment ent­wi­ckel­te im Rah­men des For­schungs­pro­jekts "e-​Voting.at" ein neu­ar­ti­ges Ver­fah­ren, das es erst­mals er­mög­licht, rechtsg

Das In­ter­net wird be­reits mas­siv für Ge­schäfts­trans­ak­tio­nen ge­nutzt, wobei ver­stärkt auch der öf­fent­li­che Sek­tor als An­wen­der auf­tritt. Dies kon­zen­triert sich heute auf An­wen­dun­gen im "E-​Government", i.e. die elek­tro­ni­sche Ab­wick­lung von Ge­schäfts­pro­zes­sen im Be­reich der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung, vom ein­fa­chen Formulardownload1 bis zum Be­schaf­fungs­sys­tem. Für die Le­gis­la­ti­ve und den da­zu­ge­hö­ri­gen de­mo­kra­ti­schen Wil­lens­bil­dungs­pro­zess ("E-​Democracy") exis­tie­ren kaum Ap­pli­ka­tio­nen. e-​Voting stellt eine Kern­an­wen­dung von E-​Democracy dar, näm­lich die Ab­wick­lung von Wah­len über das In­ter­net.

Der Wunsch, das In­ter­net auch für das Ba­sis­ele­ment der De­mo­kra­tie - die Wahl - zu ver­wen­den, ent­springt dem welt­wei­ten Trend der sin­ken­den Be­tei­li­gung an Wah­len. Auch wenn Ös­ter­reich tra­di­tio­nell ein Land mit hoher Wahl­be­tei­li­gung ist, so macht diese Ent­wick­lung auch nicht an un­se­ren Lan­des­gren­zen halt. Einer der Ver­su­che, die­ser Ten­denz Ein­halt zu ge­bie­ten, ist die Ein­füh­rung von For­men der Di­stanz­wahl (dazu ge­hö­ren (i) die Brief­wahl und (ii) e-​Voting).

Wäh­rend die Brief­wahl be­reits für Aus­lands­ös­ter­rei­cher bei der Na­tio­nal­rats­wahl mög­lich ist, gibt es für e-​Voting noch keine ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen bei Wah­len zu öf­fent­li­chen Ver­tre­tungs­kör­pern (mit Aus­nah­me von ÖH-​Wahlen). Das geht vor allem dar­auf zu­rück, dass alle bis­her be­kann­ten Ver­su­che an der Lö­sung des Grund­pro­blems ge­schei­tert sind. Die­ses er­gibt sich aus der ös­ter­rei­chi­schen Bun­des­ver­fas­sung mit den Wahl­rechts­grund­sät­zen (B-VG Art. 26). Das zu lö­sen­de Pro­blem lau­tet wie folgt:

Wie kann si­cher­ge­stellt wer­den, dass die Wahl­ad­mi­nis­tra­ti­on je­der­zeit fest­stel­len kann,
WER (be­reits) ge­wählt hat, aber zu­gleich ver­hin­dert wer­den, dass sie Kennt­nis davon be­kommt, WAS der Wäh­ler ge­wählt hat?

Wäh­rend die­ses Pro­blem bei der her­kömm­li­chen Prä­senz­wahl durch or­ga­ni­sa­to­ri­sche Vor­keh­run­gen vor Ort ge­löst wer­den kann, muss eine elek­tro­ni­sche Va­ri­an­te der Di­stanz­wahl ver­hin­dern kön­nen, dass diese zwei In­for­ma­tio­nen (Wahl­be­rech­ti­gung und aus­ge­füll­ter Stimm­zet­tel) ver­knüpft wer­den. Daher lässt sich der Pro­zess in Ana­lo­gie zum Grund­pro­blem in zwei Pha­sen glie­dern:

(i) in eine Re­gis­trie­rungs­pha­se, in der sich der Wäh­ler ein­deu­tig iden­ti­fi­ziert
(ii) und in eine Ab­stim­mungs­pha­se, bei der der Wäh­ler an­onym den Stimm­zet­tel in die Urne ein­wirft.

Das neu­ar­ti­ge Ver­fah­ren der Ab­tei­lung für Pro­duk­ti­ons­ma­nage­ment im­ple­men­tiert die­ses Pha­sen­mo­dell, so dass sich der Wäh­ler wie bei der Brief­wahl vor der Wahl über das In­ter­net re­gis­triert und im Ge­gen­zug von der Wahl­be­hör­de eine elek­tro­ni­sche Brief­wahl­kar­te be­kommt. Für die Re­gis­trie­rung wird eine di­gi­ta­le Si­gna­tur­kar­te ver­wen­det, wie sie seit die­sem Win­ter­se­mes­ter auch an alle Stu­dent/inn/en der WU aus­ge­ge­ben wird. Diese Si­gna­tur­kar­te ist (i) auf­grund des ös­ter­rei­chi­schen Si­gna­tur­ge­set­zes eine ge­setz­lich an­er­kann­te Iden­ti­fi­ka­ti­ons­mög­lich­keit (im Un­ter­schied zu PINs und Trans­ak­ti­ons­num­mern), und (ii) kann mit dem Ver­fah­ren der blin­den Si­gna­tur die elek­tro­ni­sche Brief­wahl­kar­te von der Wahl­be­hör­de un­ter­schrie­ben wer­den. Das er­mög­licht die Aus­stel­lung einer an­ony­men Wahl­kar­te, da die Ad­mi­nis­tra­ti­on keine Kennt­nis vom In­halt der Wahl­kar­te be­kom­men kann. Diese elek­tro­ni­sche Brief­wahl­kar­te wird dann am Wahl­tag vom Wäh­ler ein­ge­setzt, um einen Stimm­zet­tel über das In­ter­net zu be­zie­hen und dann aus­ge­füllt in die elek­tro­ni­sche Urne ein­zu­wer­fen. Die­ser Al­go­rith­mus, der die in an­de­ren Pro­to­koll­vor­schlä­gen vor­han­de­nen Män­gel löst, ist be­reits in­ter­na­tio­nal pu­bli­ziert wor­den und steht damit der Prü­fung durch die Fach­welt offen.
Um­set­zung für die Stadt Wien

Im Rah­men des Jubliäums­fonds der Stadt Wien für die Wirt­schafts­uni­ver­si­tät wurde mit der Um­set­zung des Mo­duls I (Re­gis­trie­rung und Wäh­ler­evi­denz) in Form eines ei­gen­stän­di­gen und voll funk­ti­ons­fä­hi­gen Pro­to­typs be­gon­nen. Die­sen kann man ohne Mo­di­fi­ka­tio­nen für ein elek­tro­ni­sches Volks­be­geh­ren oder an­de­re ein­fa­che Um­fra­gen un­mit­tel­bar ver­wen­den.

Für die Ent­wick­lung kommt dabei erst­mals die für die Bür­ger­kar­te ge­schaf­fe­ne In­fra­struk­tur (das Da­ta­kom Trust­Cen­ter, das Zen­tra­le Mel­de­re­gis­ter und der Se­cu­ri­ty Layer des Chief In­for­ma­ti­on Of­fice des BMÖLS) zur An­wen­dung. Der Pro­to­typ ist da­durch be­reits in eine reale Sys­tem­um­ge­bung ein­ge­bun­den und das mit einem im Ver­gleich zu an­de­ren e-​Voting-Projekten ge­rin­gen Kos­ten (so wen­det die Schweiz für ihr e-​Voting Pro­jekt über sechs Mil­lio­nen Schwei­zer Fran­ken auf).

Die Zu­kunft

Nach Ab­schluss der Ent­wick­lung der Re­gis­trie­rung fehlt noch die Um­set­zung der Wahl­ur­ne und die Er­pro­bung des Pro­to­typs in ei­gent­li­chen Wahl­pro­zes­sen. Die WU hat die Mög­lich­keit, eine be­son­de­re Pio­nier­rol­le zu über­neh­men, da hier meh­re­re güns­ti­ge Fak­to­ren zu­sam­men­kom­men:

a) Jede/r WU-​Student/in wird über einen Stu­die­ren­den­aus­weis mit einer di­gi­ta­len Si­gna­tur ver­fü­gen
b) Die WU-​Studierenden wol­len on­line wäh­len (siehe Ar­ti­kel im wu-​memo 42 vom Jän­ner die­ses Jah­res)
c) Das Hoch­schü­ler­schafts­ge­setz er­laubt für Hoch­schü­ler­schafts­wah­len be­reits e-​Voting.

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen über das Pro­jekt fin­den sich auf der Web­site e-​voting.wu-​wien.ac.at bzw. im Rah­men der Dis­kus­si­ons­lis­te e-gov@wu-​wien.ac.at, zu der man sich auf lists.wu-​wien.ac.at/mail­man/list­info/e-gov an­mel­den kann.

Ver­knüf­te Da­tei­en

Ori­gi­nal Ver­öf­fent­li­chungs­da­tum: 13.10.2002 (Wurde von der alten evo­ting.at Seite por­tiert)

 

zurück zur Übersicht