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Zur Emeritierung von Prof. Helmut Strasser

06/10/2016

Mit Ende September emeritierte Prof. Helmut Strasser als Ordinarius für Statistik. Lesen Sie hier die drei Laudationes anläßlich der Verabschiedung von Prof. Strasser am Institut sowie einen Rückblick auf den wissenschaftlichen Werdegang von Prof. Strasser.

Sylvia Frühwirth-Schnatter, Vorständin des Institutes for Statistics and Mathematics: Helmut Strasser und die experimentelle und mathematische Statistik

Wolfgang Mayrhofer, Vorstand des Interdisziplinären Instituts für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management: Helmut Strasser und die universitas magistrorum et scholarum

Otto Janschek, Kuriensprecher der Universitätslehrer/innenHelmut Strasser und der Senat der WU Wien

Laudationes 

Helmut Strasser und die experimentelle und mathematische Statistik

Sylvia Frühwirth-Schnatter, Vorständin des Institutes for Statistics and Mathematics

Die von Helmut Strasser 1990 anlässlich seiner Berufung am Institut für Statistik neugegründete Abteilung trug den ansprechenden Namen ,,Experimentelle und Mathematische Statistik''. Es war der experimentelle Teil, der mich bewog, mich um eine Stelle als Universitätsassistentin zu bewerben. Die 13 Jahre, die ich bis zu meiner Berufung an die JKU Linz an Helmut Strassers Abteilung arbeiten durfte, gehören für mich zu den schönsten und fruchtbarsten Jahren meiner akademischen Laufbahn. Ich verdanke seiner verständnisvollen Unterstützung und Förderung, dass ich meine tägliche Herausforderung als Mutter von drei kleinen Söhnen mit meinen wissenschaftlichen Ambitionen, die in einer Habilitation in Statistik mündeten, vereinbaren konnte. Helmut Strasser fungierte ab 1999 jahrelang als Vorstand des Instituts für Statistik und Vorsitzender des Fachbereichs Statistik und Mathematik. Stark von strategischen Überlegungen geleitet, setzte Helmut Strasser Initiativen, die die langfristige Existenz des Instituts sicherstellen sollten. Er hat entscheidend dazu beitragen, dass die Statistik an der WU als ernstzunehmende wissenschaftliche Disziplin wahrgenommen wird, und nicht nur auf statistische Beratung und Service im Bereich der Lehre beschränkt bleibt. Unter seiner Leitung partizipierte das Institut am SFB ,,Adaptive Information Systems and Modelling in Economics and Management Science'', der neue und entscheidende Kooperationsmöglichkeiten mit Kolleg/inn/en außerhalb des eigenen Fachbereiches erschloss. 2003 organisierte Helmut Strasser im Beisein von Vizerektorin Barbara Sporn einen Evaluierungsworkshop, der zu einem glänzenden Zeugnis der herausragenden wissenschaftlichen Leistungen der Institutsmitarbeiter/innen wurde, und einen Höhepunkt in der Geschichte des Instituts für Statistik darstellt. Helmut Strasser ist für viele von uns auch als Universitätslehrer ein außergewöhnliches Vorbild. Es ist geradezu bedauerlich, dass Helmut Strasser nunmehr seiner Lehrverpflichtung enthoben ist, hat er sich doch über die Jahre den Ruf erworben, in seinem Vortrag bestens vorbereitet zu sein und die Themen mit höchster Klarheit auszuführen. Lehre schien für Helmut Strasser nicht so sehr eine Verpflichtung, sondern eine Mission zu sein, mit dem Ziel, bei Studierenden Interesse und, im Idealfall, sogar Begeisterung für die von vielen als schwierig empfundenen Fächer Statistik und Mathematik zu wecken. Dabei ging ihm aber nie der Realitätssinn verloren, dass er diese Mission an einer sozial- und wirtschaftswissenschaftlich orientierten Universität verfolgte, und sein Tun war manchmal von einer leisen Ironie gezeichnet. Exemplarisch sei hier ein Absatz aus der Einleitung zu seinem Statistik-Skriptum zitiert -- ,,Strasser pur'' für ausgewiesene Kenner seines Wesens: Wenn man von Lebensplänen wie Partnersuche an der WU oder Eitelkeit (der Erbonkel verlangt vom Sprössling den Magistertitel, bevor er sich aus der Familienfirma zurückzieht) absieht, so bleibt als Hauptmotiv für ein WU-Studium der Wunsch, einmal ,,Chef" zu werden (das ist kein Witz, sondern ein Umfrageergebnis). Eine sehr kleine Minderheit von Studierenden interessiert sich für fachliche Fragen, und solche Studenten brauchen nicht motiviert zu werden. Wir wollen also darangehen zu erklären, warum man Statistik lernen sollte, wenn man ,,Chef" werden will.

Lieber Helmut, im Namen aller Institutsmitarbeiter und Institutsmitarbeiterinnen danke ich Dir dafür, dass Du die Geschicke unseres Instituts über viele Jahre gelenkt und durch Deinen enormen Einsatz und Deine Umsicht in vieler Hinsicht entscheidend geprägt hast. Du hast Außergewöhnliches für den Fachbereich Statistik und Mathematik geleistet, als herausragender Forscher, als vorbildlicher Universitätslehrer und als engagierter Institutsvorstand. Es ist eine große Auszeichnung für uns, dass Du unserem Institut weiterhin als Emeritus verbunden bleiben wirst. Wir wünschen Dir vom Herzen, dass Dir Deine unerschöpfliche Energie und Schaffenskraft noch viele Jahre erhalten bleiben möge. Herzlichst,Sylvia Prof.

Helmut Strasser und die universitas magistrorum et scholarum

Wolfgang Mayrhofer, Vorstand des Interdisziplinären Instituts für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management

Helmut Strasser hat auch über sieben Jahre die Geschicke des Senats und der Professor/inn/enkurie mit gleichermaßen Einsatz und Geschick gelenkt. Dabei haben ihn drei für eine solche Funktion unerlässliche Dinge ausgezeichnet. Erstens: Furchtlosigkeit. Beide Positionen sind in verschiedenen Bereichen als Gegengewicht zu Rektorat und Uni-Rat konzipiert. Gegen den Stachel dieser beiden Einrichtungen zu löcken ist daher manchmal notwendig, aber nicht immer leicht und nicht ohne Gefahr des persönlichen Nachteils. Kollege Strasser hat sich hier stets auf die Seite des Muts geschlagen. Zweitens: keine Käuflichkeit. Die von Kollegen Strasser im Universitätsmanagement ausgeübten Funktionen verlangen ein gutes Augenmaß und eine gehörige Portion an langfristigen Überlegungen, die unweigerlich zu einem partiellen Abtausch von Interessen führen. Herr Strasser hat das stets im Auge gehabt, es aber gleichwohl verstanden, jede persönliche direkte oder indirekte Vorteilsnahme von sich zu weisen und zum Wohle der ihm anvertrauten Institution zu handeln. Drittens: Leitvorstellungen. Tagtägliches Handeln in den von Kollegen Strasser ausgefüllten Positionen braucht immer auch Orientierung an zugrundeliegenden Vorstellungen. Herr Strasser hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er – ganz im Sinne eines österreichischen Hochschullehrers im besten Sinne des Wortes – einer Universität verpflichtet ist, die sich nicht neumodisch als unternehmerische Universität mit überbordendem, den Gedankenaustausch einengenden statt fördernden Effizienzdruck und als Produktionsstätte von Kennzahlen, Rankingplätzen oder Publikationsleistungen geriert. Vielmehr war in seinem Handeln eine Leitvorstellung von Universität erkennbar, die als universitas magistrorum et scholarum, als von diesen selbst verwaltete Gemeinschaft der Forschenden und Lehrenden sich daher legitimiert, dass sie Wissen schafft. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist Kollegen Strasser zu danken.

Helmut Strasser und der Senat der WU Wien

Otto Janschek, Kuriensprecher der Universitätslehrer/innen

Helmut Strasser übernahm den Senatsvorsitz 2009 und übte ihn nach zweimaliger Wiederwahl bis zu seiner Emeritierung 2016 aus. Dass er 2009 als Vorsitzender vorgeschlagen wurde, kam für manche überraschend, da er als Professor für Statistik nicht einem der (zahlenmäßigen) Fächerschwergewichte an der WU angehörte. Helmut Strasser positionierte sich von Beginn an als ein Senatsvorsitzender, der seine Rolle als Sprecher aller Kurien gegenüber den anderen beiden Leitungsorganen der WU Wien verstand. Dieser Grundhaltung als Bewahrer der Rechte des Senats und der Einflussmöglichkeiten der Kurien auf die Entwicklung der WU Wien blieb er während seiner gesamten Vorsitzperiode treu. Rasch gelang es ihm deshalb, auch zu den anderen Kurien Vertrauen und eine offene Gesprächskultur aufzubauen. Durch seine Fähigkeit, klar zwischen den Rollen als Kuriensprecher und jener als Senatsvorsitzender und damit Sprecher aller Kurien zu trennen, waren die Senatsvorbesprechungen oft spannend und brachten bei allen Beteiligten ein klareres Bild über die unterschiedlichen Interessenlagen. Innovativ war auch die von ihm eingeführte Praxis, Vertreter/innen beider Betriebsräte und des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen zur Senatsvorbesprechung hinzuzuziehen. Oft wurden in dieser Runde Formulierungen geboren, die eine einstimmige Verabschiedung ursprünglich kontroverser Themen im Senat erlaubten. Die wohl wichtigste Aufgabe in seiner Zeit als Senatsvorsitzender war (gemeinsam mit Frau Dipl.Ing. Jilka als Vorsitzende des Universitätsrats) die Durchführung der Rektorswahl in der Nachfolge Christoph Badelts. Durch die Kandidatur zweier Teams, denen jeweils Professor/inn/en des Hauses angehörten, erforderte dies ein hohes Ausmaß an Fingerspitzengefühl von der Präsentation der Kandidat/inn/en bis zur Abgabe der Empfehlung des Senats an den Universitätsrat. Mit den von ihm vorgeschlagenen Hearings der Kandidat/inn/en, an denen bis zu 250 Personen aus dem Haus teilnahmen, schuf er auch hier ein Klima der Offenheit, das eine breite Meinungsbildung in allen Kurien ermöglichte. Helmut Strasser hat damit den Senat der Wirtschaftsuniversität erfolgreich in einer Phase geleitet, in der die Strukturen des UG 2002 ihre volle Wirksamkeit entfalteten und auch durch den Generationenwechsel in der Professor/inn/enkurie das Verständnis, welche Aufgaben den verschiedenen Kurien zukommen, grundsätzlich hinterfragt wurde. Dass auch in dieser Umbruchphase fast alle Beschlüsse im Senat einstimmig gefasst werden konnten (verlässliche Ausnahmen stellten die Beschlüsse über die Einteilung des Studienjahrs dar), zeugt vom großen Bemühen Helmut Strassers, in der Sache gute und für alle Seiten akzeptable Kompromisse zu finden.

Zum wissenschaftlichen Werdegang von Helmut Strasser

Helmut Strasser, 1948 in Sierning in Oberösterreich geboren, zog es unmittelbar nach der Reifeprüfung, die er in Linz ablegte, nach Wien, wo er in Rekordzeit ein Studium der Mathematik (im Hauptfach) und der Statistik (im Nebenfach) an der Universität Wien absolvierte. Mit 22 Jahren promovierte er 1970 im Fach Mathematik mit einer Dissertation über ,,Erwartungstreue Schätzer'' zum Doktor der Philosophie. Sein Doktorvater war Leopold Schmetterer, ein Pionier der Theoretischen Statistik. Helmut Strassers weitere wissenschaftliche Laufbahn nahm einen geradlinigen, geradezu rasanten Verlauf. Zunächst wurde er Hochschulassistent am Institut für Statistik der Universität Wien bei Gerhart Bruckmann (1971-73) und anschließend Forschungsassistent an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bei der von Leopold Schmetterer geleiteten Kommission für sozio-ökonomische Entwicklungsforschung (1973-75). Im jugendlichen Alter von nur 27 Jahren wurde Helmut Strasser 1975 an der Universität Wien die Habilitation für Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik verliehen, im gleichen Jahr erfolgte die Berufung auf eine C3 Professur für Mathematik an der Universität Gießen, der 1977 die Berufung auf eine C4 Professur für Mathematik an der Universität Bayreuth folgte. 1990 erfolgte schließlich die Rückkehr nach Wien als Ordinarius für Statistik an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Seine akademischen Lehrer Gerhart Bruckmann und Leopold Schmetterer prägten Helmut Strassers Sichtweise der Statistik ganz erheblich. In der Grundlagenforschung der Theoretischen Statistik blieb Helmut Strasser einerseits Schmetterers mathematischer Strenge verpflichtet. Die herausfordernden Probleme der angewandten Statistik, mit denen Helmut Strasser in den Jahren nach seiner Promotion konfrontiert war, weckten andererseits sein großes Interesse an der Umsetzung der Forschungsergebnisse für die Weiterentwicklung der statistischen Methodik in den Gesellschaftswissenschaften. Die von Gerhart Bruckmann und Leopold Schmetterer begonnenen Traditionen fortsetzend, erwarb sich Helmut Strasser einen hervorragenden Ruf auf dem Fachgebiet der Theoretischen und Angewandten Statistik. Zu seinen wichtigsten wissenschaftlichen Werken zählt seine 1985 erschienene Monographie "Mathematical Theory of Statistics: Statistical Experiments and Asymptotic Decision Theory", publiziert in der international angesehenen Reihe: De Gruyter Studies in Mathematics. Weitere bedeutende Publikationen erschienen in den Annals of Statistics und in Theory of Probability and Related Fields. Von 2003-2007 war Helmut Strasser  auch als Herausgeber der Zeitschrift Statistics and Decisions tätig. In Anerkennung seines Wirkens, wurde Strasser 2003 zum korrespondierenden und 2010 zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ernannt.

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